orionnebel-kleinDer Einfluss von natürlichem Licht auf Pflanzen und Tiere ist Ökologen seit vielen Jahren bewusst. Erst im 20. Jahrhundert hat die künstliche Beleuchtung ein Ausmaß angenommen, das massive Auswirkungen auf Individuen und Lebensgemeinschaften zeigt. Bei einigen Arten sind die katastrophalen Konsequenzen von künstlichem Licht gut dokumentiert, wie zum Beispiel der Tod von Zugvögeln an beleuchteten Hochhäusern und die Fehlleitung schlüpfender Meeresschildkröten an den Stränden. Für weniger augenfällige Einflüsse des Lichts fehlen vielfach noch systematische Untersuchungen, angesichts der zunehmenden Lichtverschmutzung besteht hier aber dringender Forschungsbedarf.

Tageslicht ist ein wichtiger externer Zeitgeber für interne Rhythmen der Lebewesen. Die Synchronisation der inneren Uhr durch das Tageslicht ist bei nahezu allen Lebewesen sogar Bestandteil des Erbgutes. Die rein natürlichen Beleuchtungsstärken liegen in der Nacht bei Vollmond um 0.25 lx, bei Neumond bei 0.01 lx. Das sind die Verhältnisse, auf die sich die Natur eingestellt hat. Obwohl bei 0.5 lx bis 1 lx das Lesen eines Textes von einem Menschen gerade noch möglich ist, darf 1 lx nicht als Maßstab für die gesamte Ökologie gesehen werden. Nachtaktive Tiere haben teilweise ein wesentlich wirkungsvolleres Nachtsehen entwickelt, so dass deren Störung empfindlicher ist, als diejenige des Menschen. Die Homogenisierung von Tag und Nacht durch Kunstlicht bedeutet eine Verdrängung der Nacht.

Ökologische Lichtverschmutzung
Orientierung
Fortpflanzung
Kommunikation
Nahrungskonkurrenz
Räuber-Beute-Beziehung
Auswirkungen auf Ökosysteme
Schlussfolgerungen
Danksagung
Literaturliste

Ökologische Lichtverschmutzung

Lichtverschmutzung wird meist als Beeinträchtigung der Beobachtungsmöglichkeiten des Sternenhimmels verstanden. Im Gegensatz zu dieser „Astronomischen Lichtverschmutzung“ beschäftigt sich die „Ökologische Lichtverschmutzung“ mit den Auswirkungen künstlichen Lichts auf die natürlichen Lichtverhältnisse in Ökosystemen. [Trevis & Rich 2006] Ökologische Lichtverschmutzung entsteht durch permanent und periodisch veränderte Lichtverhältnisse, plötzliche Änderungen der Beleuchtung und direkte Blendung. Störendes Licht kommt von den Lichtdomen über nächtlichen Städten, beleuchteten Bauwerken, Signal- und Sicherheitseinrichtungen, Straßen- und Fahrzeugbeleuchtungen, aber auch von Ölplattformen und Fischerbooten. Manche Tiere profitieren von künstlichem Licht, weil sie sich besser orientieren können, andere verlieren die Orientierung, werden vom Licht angezogen oder weichen diesem aus. All dies beeinflusst Ernährung, Fortpflanzung, Kommunikation, Wanderungsbewegungen und andere unter natürlichen Lichtverhältnissen in evolutionären Zeiträumen entstandene Verhaltensweisen.

Orientierung

Ein bekanntes Beispiel für den Orientierungsverlust durch künstliche Beleuchtung ist das Schlüpfen von Schildkröten an Meeresstränden. Unter natürlichen Bedingungen bewegen sich schlüpfende Schildkröten weg von niedrigen, dunklen Silhouetten wie der Dünenvegetation und gelangen so rasch ins Meer. Durch beleuchtete Strände werden die Dünen nicht mehr wahrgenommen und die Tiere verlieren die Orientierung. [Salmon et al. 1995] Auch beim Ablegen der Eier am Strand werden Meeresschildkröten durch künstliches Licht gestört. Helligkeitsänderungen beeinträchtigen die Orientierung nachtaktiver Tiere. Frösche z. B. können durch plötzlich auftretendes Licht für Minuten bis Stunden erblinden. Haben sie sich einmal an das Licht adaptiert, werden sie mitunter sogar davon angezogen. Eine besondere Gefahr besteht für nächtliche Zugvögel: fliegen sie aufgrund schlechter Witterung tiefer und geraten in die Umgebung einer starken Lichtquelle, könne sie von dieser geradezu „gefangen“ werden. [Ogden 1996]

posttower-bonnAm 162 Meter hohen und mit 2000 Leuchtstoffröhren und 112 Strahlern beleuchteten Post-Tower in Bonn registrierte Haupt von Oktober 2006 bis November 2007 827 Kollisionen mit Vögeln, 151 waren sofort tot. Vögel fliegen gegen die beleuchtete Fassade, bis sie erschöpft zu Boden fallen und ein leichtes Opfer für Räuber werden.[Haupt 2008] Besonders in Zugrouten sind Leuchttürme, Signallichter auf hohen Bauwerken wie Schloten und Funktürmen [Ogden 1996] aber auch Glashäuser und Bohrplattformen fatal. Nicht nur Nachtfalter, viele Gruppen von Insekten werden von künstlichem Licht angezogen, ultraviolettes Licht ist dabei besonders attraktiv. [Eisenbeis und Hassel 2000] Künstliches Licht kann auch eingesetzt werden, um Tiere zu lenken: so können Fische zu Fischtreppen gelockt werden, um Kraftwerke und Dämme zu umgehen [Haymes et al. 1984]. Pumas hingegen meiden beleuchtete Areale, sodass Beier [1995] vorschlägt, sie durch künstliches Licht von Siedlungen fernzuhalten.

Fortpflanzung

In einer Versuchsanordnung wurde beobachtet, dass Frösche mit dem Rufen aufhörten, sobald ein nahegelegenes Stadion seine Flutlichtanlage einschaltete. Erst als die Tiere vom Licht abgeschirmt wurden, setzten sie ihre Rufaktivität fort. [Longcore und Rich 2004] Bei Vögeln könnte künstliche Beleuchtung in der Nacht die Nestwahl beeinflussen. De Molenaar et al. [2000] beobachteten, dass die Nestdichte bei Uferschnepfen bis 300 Meter neben einer beleuchteten Straße statistisch signifikant geringer war als in unbeleuchteten Vergleichsflächen.

Kommunikation

Wegen der zentralen Rolle des Sehsinns bei der Orientierung und der Kommunikation bei vielen Tieren ist es nicht verwunderlich, dass künstliches Licht das Verhalten beeinflusst. Das mag für manche Arten vorteilhaft, für andere ein Nachteil sein. Aber auch „positive“ Effekte für einzelne Arten könnten negative Auswirkungen auf das Ökosystem haben. Arten, die mit Licht kommunizieren, sind besonders betroffen. So können etwa weibliche Glühwürmchen Männchen mit ihren Lichtsignalen über 45 Meter anlocken. Durch künstliches Licht wird die Reichweite der Signale eingeschränkt.

Nahrungskonkurrenz

Vor allem schnell fliegende Fledermausarten profitieren von Insekten, die von künstlichen Lichtquellen angezogen werden. Langsamer fliegende Arten hingegen meiden das Licht, was zu einer Verschiebung der Artenzusammensetzung in einem Lebensraum führen kann. [Blake et al. 1994]

Räuber-Beute-Beziehung

beleuchtetes-gebaeudeWenn es auch so scheinen mag, dass tagaktive Arten von einer verlängerten Aktivitätsperiode durch künstliche Beleuchtung profitieren können, so kann dieser Vorteil doch durch eine erhöhte Gefährdung durch Fressfeinde aufgehoben werden. [Gotthard 2000] Kleinere Nagetiere fressen unter starkem Kunstlicht weniger, eine Tendenz die sich auch bei einigen Hasenartigen, Beuteltieren, Schlangen, Fledermäusen und Fischen zeigt. Gorenzel und Salmon [1995] haben beobachtet, dass städtische Krähenpopulationen in Kalifornien ihre Schlafplätze an helleren Orten errichteten als Populationen außerhalb der Stadt. Sie vermuten, dass dadurch die Gefahr durch Eulen geringer ist.

Auswirkungen auf Ökosysteme

Ein „permanenter Vollmond“ durch künstliche Beleuchtung begünstigt licht-tolerante Arten und benachteiligt andere. Arten, die während der dunkelsten Mondphasen ihr Aktivitätsmaximum haben, werden es unter Umständen nicht schaffen, ihren Energiebedarf zu decken. Wenn sie ausfallen, würde die Artenvielfalt im Ökosystem reduziert. Ein gutes Beispiel für den Einfluss des Lichts ist das Zooplankton, das sich in einem 24-stündigen Zyklus zwischen tieferen und oberflächennahen Wasserschichten bewegt. Vermutlich weicht das Plankton Räubern aus, indem es nur nachts zur Nahrungsaufnahme an die Oberfläche kommt. [Gliwicz 1986] Bereits Licht das schwächer als der Halbmond ist (<0,1 lux) reicht aus, um die vertikale Verteilung des Zooplankton zu beeinflussen. Weniger Algen fressendes Zooplankton an der Wasseroberfläche kann zu einer Algenblüte und zum Kippen des Gewässers führen. [Moore et al. 2000]

Schlussfolgerungen

Viele Fragen zu den Auswirkungen von künstlichem Licht auf Pflanzen und Tiere sind noch offen und weitere Untersuchungen natürlicher Populationen erforderlich. Ökologen haben die Lichtverschmutzung als wesentlichen Umweltfaktor erkannt, leider wird die nächtliche Dunkelheit noch selten als Kriterium bei der Ausweisung von Schutzgebieten berücksichtigt

Danksagung

Der Artikel stützt sich in weiten Bereichen auf die Arbeit von Trevis Longcore und Catherine Rich „Ecological Lightpollution“ (440-KB-PDF), publiziert 2004 in Frontiers in Ecology and the Environment Vol. 2, No. 4, pp. 191-198.

Literaturliste

© Fotos (von oben nach unten): T. Posch, H. Haupt, A. Brezansky

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