Iris Tichelmann, Wiener Umweltanwaltschaft 

Letztes Jahr bin ich durch die erste „City Nature Challenge“ in Wien auf die Naturbeobachtungsplattform „iNaturalist“ aufmerksam geworden. Die „City Nature Challenge“ ist ein internationaler Wettbewerb, bei dem jedes Jahr zu einem festgelegten Termin weltweit die Artenvielfalt in Städten dokumentiert wird. Dadurch soll einerseits die Sensibilität für die urbane Biodiversität erhöht werden und anderseits werden dabei auch wichtige Daten gesammelt, denn je mehr über die Lebensweise und Verbreitung von Arten bekannt ist, desto besser und gezielter können sie geschützt werden. 

Eine Plattform voller Daten und Möglichkeiten

mauer zimbelkraut kleinDie Nutzung der Plattform „iNaturalist“ ist kostenlos, jede*r kann einen Account anlegen und Fotos (oder Tonaufnahmen) von Tieren, Pflanzen und Pilzen hochladen. Besonders ist, dass man selbst kein großes Vorwissen braucht, sondern Expert*innen bei der Bestimmung helfen. Wissenschaftler*innen und Hobbyforsch*innen aus aller Welt nutzen „iNaturalist“ und teilen ihr Wissen.

Die User*innen können sich alle Beobachtungen ansehen und die Daten auch beispielsweise für Forschungsarbeiten oder Naturschutzprojekte nutzen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind das weltweit schon über 67 Millionen Beobachtungen! Man kann nach bestimmten taxonomischen Gruppen (Arten, Gattungen, Familien, usw.) suchen, den Ort eingrenzen oder sogar ein eigenes Projekt starten. So gibt es z. B. ein Projekt, bei dem alle Arten, die an und um einen Gebäudekomplex, und zwar dem Universitätszentrum Althanstraße (Fakultät der Lebenswissenschaften, Universität Wien), dokumentiert werden. Etwa 550 verschiedene Arten konnten dort bereits nachgewiesen werden.

Wie alles begann...

knoblauchsrauke kleinMeine Begeisterung begann also, wie schon erwähnt, bei der „Wiener City Nature Challenge 2020“. Bepackt mit einer kleinen Kamera machten mein Freund Leo und ich uns auf den Weg. Wir sollten nicht weit kommen, denn direkt vor unserer Haustüre entdeckten wir eine Schwebfliege. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite der nächste Treffer: jede Menge Pflanzen in Pflasterritzen. Für viele ist das „Unkraut“, für uns sind das Fotomotive! Knoblauchsrauke, Brennnessel, Schöllkraut und Mauer-Zimbelkraut sind immer brave Fotomodelle, denn sie bewegen sich so wenig. Insekten, Vögel und Säugetiere fordern uns wesentlich mehr heraus. ;-)

Es machte uns so großen Spaß die Natur zu beobachten und zu versuchen, möglichst viele Arten zu fotografieren, dass wir seit der ersten „City Nature Challenge“ nicht mehr aufgehört haben, Fotos hochzuladen – vor allem, wenn uns etwas Besonderes vor die Linse hüpft. Vor kurzem habe ich auch begonnen Vogelstimmen mit dem Handy aufzunehmen, denn das ist oft einfacher, als die kleinen Vögel im Dickicht zu fotografieren.

Eine Sammlung der Naturbeobachtungen

graureiher kleinAlle Entdeckungen sind auf dem „iNaturalist“-Account gespeichert, wie in einem Tagebuch für Naturbeobachtungen. Wenn ich sie mir ansehe, dann erinnere ich mich wieder, wo ich überall spazieren war und was ich dort gesehen habe, sei es ein großer Nachtfalter mitten im 1. Bezirk, eine Lachmöwe am Handelskai oder ein Graureiher beim Lauern auf sein Mittagessen im Türkenschanzpark.

Dieses Jahr haben Leo und ich bei der „City Nature Challenge“ in einem kleinen Teich unter Wasser Fotos gemacht. Dabei ist uns ein seltener Fund gelungen: die zweite Dokumentation der gekielten Tellerschnecke (Planorbis cariantus) in Wien auf „iNaturalist“! Die Teichmolche waren leider zu schnell für uns, denn wir möchten die Tiere wirklich nur beobachten und fotografieren, aber nicht stören. Wenn sie sich verstecken, dann respektieren wir das. Nur die Pferdeegel sind weniger schüchtern, einer kletterte sogar frech auf die Kamera!

Besonders spannend finde ich es auch, welche Beobachtungen andere Personen schon machen konnten. Gemeinsam dokumentieren, erforschen und bestimmen wir Tiere, Pflanzen und Pilze auf der ganzen Welt und es macht mich sehr gücklich zu sehen, wie vielfältig und wunderschön das Leben auf der Erde ist und wie viele Menschen es gibt, die sich genauso dafür begeistern wie ich.

Weitere Informationen: https://www.inaturalist.org/ 

© Fotos: Iris Tichelmann und Leo Pokorny

Bildbeschreibung jede Zeile von links nach rechts: Braune Tageule, Gekielte Tellerschnecke, Gewöhnliche Gelbflechte, Horn-Sauerklee, Kleines Immergrün, Lachmöwe, Nachtfalter im ersten Bezirk - Hausmutter, Pferdeegel, Stockente, Tigerschnegel, Wald-Veilchen

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