MitarbeiterInnen der WUA und des Instituts für Risikoforschung der Universität Wien, haben das KKW Jaslovske Bohunice besichtigt. Das KKW Bohunice befindet sich im Westen der Slowakei, knapp 120 km nordöstlich von Wien. Die Stadt Jaslovske Bohunice liegt 2,6 km von der alten Stadt Trnava und unweit von dem Kurort Piestany entfernt. Die Führung, an der auch der Leiter der slowakischen Atombehörde teilnahm, begann vorerst in einem "Bohunice-Schauraum". Hier wurden Modelle des Reaktors oder auch des Betriebsgeländes erklärt. Anschließend konnte die Gruppe das Kraftwerk besichtigen. Die Sicherheitseinrichtungen erinnerten an einen Flughafen und entsprechen den internationalen Standards nach dem 11.09.2001.
Das Kernkraftwerk Bohunice besteht aus drei Anlagenteilen:
- der Ende der 70iger Jahre nach einem schweren Störfall außer Betrieb genommene A1-Reaktor (derzeit – immer noch – in Dekommissionierung und Rückbau)
- die Baustufe V1 mit zwei älteren Druckwasserreaktoren der Baureihe WWER-440/230, die 1978/1980 in Betrieb gingen
- sowie die Mitte der 80iger Jahre in Betrieb genommene Anlage V2, bestehend aus zwei Druckwasserreaktoren vom Typ WWER-440/213.
Die Gruppe lernte den Anlagenteil V1, dessen beide Reaktoren 2006 und 2008 stillgelegt werden sollen, kennen.
Technische Spezifikationen
Die aktive Zone, in der die Kernspaltung als Kettenreaktion während des Betriebes abläuft, befindet sich in einem starken Stahlbehälter mit zirka 10 m Höhe und 3,5 m Außendurchmesser bei fast 20 cm Wandstärke. Jeder der beiden Reaktoren von Bohunice V1 befindet sich in einem solchen Druckbehälter. Dort entsteht die enorme Hitze, die durch Kühlwasser abgeleitet wird. Letztlich werden mit dem so erzeugten Dampf Turbinen angetrieben, die über Generatoren Strom erzeugen. Die eigentlichen Reaktorkerne aus urangefüllten Brennelementen sind relativ klein und nur je 2,5 m hoch und haben 2,88 m Durchmesser. Die darin jeweils befindlichen 42 Tonnen Uran produzieren je 7 Prozent des slowakischen Stroms. Unter 125 bar Druck wird pro Sekunde 10 m3 270 °C heißes Wasser von unten nach oben durch jeden Reaktor gepumpt und dabei um 30 °C erwärmt. Während des Prozesses der Kernspaltung wird das Uran in viele hochgefährliche – radioaktive – Spaltprodukte zersetzt. Eine einzige Brennstofftablette von 7 mm Durchmesser und 1,5 cm Höhe gibt soviel Strahlung ab, dass ein ungeschütztes Verweilen in einem Meter Entfernung bereits nach wenigen Minuten zu einer tödlichen Strahlendosis führen kann. Die Brennelemente sind 4 Jahre in Betrieb. Etwa jedes Jahr wird ein Viertel der alten Elemente aus dem Reaktor entfernt und durch neue ersetzt. Die alten und verbrauchten Brennelemente sind hochradioaktiver Atommüll und müssen für mehrere tausend Jahre sicher gelagert werden. Während der Be- und Entladung sind die Reaktoren abgeschaltet und stehen nicht unter Druck.
KKW Bohunice birgt erhöhtes Sicherheitsrisiko
Die beiden Reaktoren von V1 gelten als Reaktoren mit erhöhtem Betriebsrisiko. Sie werden seit Jahren besonders scharf kritisiert, da diese zwei Reaktoren über kein Containment verfügen. Ein Problem stellt die Neutronenversprödung (Sprödbruchfestigkeit) der Reaktordruckbehälter dar, die im Notkühlfall zu einem Kesselversagen führen könnte. Sicherheitsrelevante, redundant ausgelegte Systeme, sind räumlich nicht immer hinreichend voneinander getrennt, was den Sinn einer Redundanz konterkariert. Der Besuch des Blocks A1, der seit einem schweren Unfall im Jahr 1977 stillsteht, war nach Angabe der Betreiber aufgrund erhöhter Strahlung nicht möglich.
In den letzten Jahren wurden einige der Mängel der beiden Blöcke von V1, nach Forderungen der IAEO, korrigiert. Man hat sich zum Beispiel große Mühe gegeben, die Gebäude mit Stahlträgern erdbebensicherer zu machen, was auch bei der Führung betont wurde. Im Reaktorgebäude befinden sich auch Kameras der IAEO. In den letzten Jahren wurden insgesamt 120 Millionen Euro (Quelle: www.seask.sk) investiert, um das Risiko eines Reaktorunfalls zu minimieren. Mängel wie eine unzureichende Not(fall)kühlung konnten aber nicht behoben werden.
Argumente der Slowakei Pro Atomkraft
Der Reaktorteil V-2 besteht aus zwei moderneren WWER-440/213 Reaktoren, die als sicherer gelten als V-1. Aufgrund der Anfahrdaten dieser zwei Reaktoren 1984/1985 strebt die slowakische Regierung eine Betriebsdauerverlängerung auf 40 Jahre an. Laut dem Kraftwerksbetreiber arbeiten im KKW Bohunice rund 2.800 Leute und in der Slowakei sind insgesamt 10.000 Menschen am Atomenergiesektor tätig. Bei einem Ausstieg aus der Kernenergie müssten viele davon umgeschult werden, was den Wunsch der Slowakei, an der Kernenergie festzuhalten, verständlicher macht. Dem halten wir entgegen, dass auch der Einsatz von erneuerbaren Energien insgesamt mehr und dauerhafte Arbeitsplätze schafft.
Weltweit liegt der Anteil der Atomenergie an der Stromproduktion bei 16 Prozent, ein bescheidenes Ergebnis, wenn man die Ausgaben betrachtet. Die Windkraft hat seit dem Beginn ihres Auf- und Ausbaus vor zirka elf Jahren in Deutschland beispielsweise doppelt so viel Energie erzeugt wie die Atomkraft in elf Jahren ab Inbetriebnahme des ersten Reaktors, so eine Pressemitteilung der SPD vom 9.2.05. Ein Argument, das bei der Kostendiskussion ebenfalls genannt werden muss: Erneuerbare Energien bergen weniger Gefahren als die Atomkraft und die Kosten der Lagerung des Atommülls über Generationen hinweg sind nicht abzuschätzen.
Resümee der WUA
Die Alternative zur slowakischen Atomkraftnutzung lautet unserer Meinung nach: "Forcierte Nutzung der erneuerbaren Energien". Die Erneuerbaren – Sonnenlicht, Windkraft, Biomasse, Wasserkraft, Geothermie – sind auch in der Slowakei reichlich vorhanden. Ihre Nutzung schafft zukunftsfähige, sichere Arbeitsplätze, fördert die regionale Wirtschaft, beseitigt das Strahlungsrisiko von AKW und gibt kommenden Generationen die Chance, ihre Lebensgrundlagen zu wahren und zu verbessern. Apropos Arbeitsplätze: Bisher wurden in Deutschland infolge des Erneuerbare Energie-Gesetzes zirka 120.000 Arbeitsplätze geschaffen. Für Österreich kommt eine im Auftrag der EU erstellte Studie auf 62.000 Netto-Arbeitsplätze, die bis zum Jahr 2020 durch Investitionen in die erneuerbaren Energieträger geschaffen werden könnten (Quelle: www.nachhaltigwirtschaften.at). Für die Slowakei dürfte es wohl ähnlich aussehen (vor allem in den Bereichen Biomasse und Solarthermie). Durch gezielte gesetzliche Regelungen und finanzielle Anreize könnte der Einsatz von erneuerbaren Energien in der Slowakei gefördert und so auch eine soziale Abfederung und Umschulung des Betriebspersonals des KKW Bohunice geschaffen werden, um auch soziale Härten abzufangen. Durch gezielte Förderungen könnten sogar noch zusätzliche Arbeitsplätze auf dem Sektor der erneuerbaren Energien etabliert werden.