Nach dem ersten Bericht über Gefahrenquellen für Wildtiere (Untersuchungszeitraum 2016 bis 2018, liegen nun auch aktuelle Ergebnisse vor. Im Auftrag der WUA wertete die Wildtierhilfe Wien die Protokolle und Aufzeichnungen über ihre Pfleglinge in den Jahren 2019 und 2020 aus, um neue Erkenntnisse für die Ursachen von Verletzungen bei Wildtieren zu erhalten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Verletzungen, die durch menschliches Verschulden verursacht wurden. Im Unterschied zum letzten Bericht werden dieses Mal auch jene Tiere in die Auswertung miteinbezogen, deren Unfallursache nicht ganz sicher, aber (z. B. aufgrund der Verletzungsart) sehr wahrscheinlich ist.
Die Auswertung der Pflegeprotokolle soll das Wissen über Gefahren für Wildtiere im urbanen Raum verbessern und so einen Beitrag zum Schutz der Tiere leisten.
Ein Überblick über die häufigsten Unfallursachen, die auf das Handeln des Menschen zurückzuführen sind:
Kollisionen
Unter diesem Begriff werden Verkehrs- und Glaskollisionen, also Zusammenstöße von Wildtieren mit Straßenverkehrsteilnehmer*innen oder Glasscheiben zusammengefasst. Kollisionen sind die häufigste Verletzungsursache, besonders häufig betroffen sind Vögel.
Unter den Verkehrsopfern sind vor allem Aaskrähen und Amseln, aber auch Haussperlinge und Igel. Vogelarten, die gerne Hecken nutzen, sind besonders gefährdet, weil sie Straßen bodennah queren, um von einer Hecke zur nächsten zu fliegen.
Bei den Glaskollisionen sind Amseln, Kohlmeisen, Buntspechte und Stadttauben die häufigsten Opfer. Jedoch sind auch einige seltene Arten relativ stark betroffen, wie z. B. Eisvögel. Vier von insgesamt fünf im Untersuchungszeitraum aufgenommen Eisvögel sind an Glasscheiben angeflogen (drei bestätigte Fälle, ein wahrscheinlicher Fall). Nur etwa ein Drittel der Glaskollisionsopfer kann wieder ausgewildert werden. Grund dafür ist, dass die Verletzungen nach einem Aufprall oft sehr schwer sind. Verletzungen von Blutgefäßen und Nerven, Augenverletzungen, Prellungen, Hirnödeme, etc. fallen oft äußerlich nicht auf und führen erst einige Zeit nach dem Unfall zum Tod.
Es gibt eine hohe Dunkelziffer an Kollisionsopfern, weil viele Tiere nicht sofort sterben und sich verletzt in Sicherheit zu bringen versuchen. Sie werden dann schnell zu einer leichten Beute.
Für ausführliche Informationen über Vogelanprall an Glasflächen und welche Möglichkeiten es gibt, diesen zu vermeiden, siehe „Vogelanprall an Glasflächen“.
Katzen- und Hundekontakte
Kontakte mit Haustieren sind die zweithäufigste Verletzungsursache von Wildtieren im Bericht der Wildtierhilfe Wien. Verletzungen durch Katzen sind deutlich häufiger als jene durch Hunde.
Bei Hundekontakten ist keine jahreszeitliche Häufung erkennbar, bei den Katzenkontakten schon: Im Mai passierten mit Abstand die meisten Unfälle, gefolgt von den Sommermonaten Juni bis September. Fast 90 % der Katzenopfer sind Vögel, am häufigsten Kohlmeisen. Auch Amseln, Sperlinge und Igel sind stark betroffen. Dreiviertel der Wildtiere, die von Katzen verletzt werden, sind Jungtiere. Mehr als die Hälfte der Jungvögel sind Nestlinge, also Jungtiere, die noch im Nest sitzen und auf eine Versorgung durch ihre Eltern angewiesen sind.
Aufgrund von bakteriellen Infektionen durch den Katzenspeichel überleben fast zwei Drittel der Wildtiere den Kontakt mit einer Katze nicht.
Wie Unfälle mit Katzen reduziert werden können, haben wir hier zusammengefasst: „Hauskatze auf der Jagd: Empfehlungen zum Schutz der Wildtiere“
Hitze
Eine weitere Gefahr für die Wildtiere in der Stadt ist die Hitze. Davon sind vor allem Vögel, die an Gebäuden brüten, betroffen: Kohlmeisen, Mauersegler und Hausrotschwänze sind die drei Arten, die am häufigsten unter Dehydrierung und Überhitzung leiden.Grund dafür sind ungünstig gewählte Nistplätze, die sich im Sommer stark erhitzen. Die Jungvögel versuchen Abkühlung zu finden und rutschen immer weiter zum Nestrand, bis sie schließlich aus dem Nest fallen. So machen den Großteil der Hitzeopfer Nestlinge aus. Um Hitzeopfer zu vermeiden, sollten Standorte für Nistkästen mit Sorgfalt ausgewählt und möglichst geschützt vor direkter Sonneneinstrahlung montiert werden.
Bautätigkeiten und Sanierungen
Ähnlich wie bei der Hitzeproblematik, werden auch bei Bautätigkeiten und Sanierungen vor allem jene Tiere verletzt, die in Spalten oder Nischen an Gebäuden einen Unterschlupf oder Brutplatz finden. Die Opfer sind großteils junge Vögel (Nestlinge), wie Stadttauben und Mauersegler. Fast zwei Drittel der Wildtiere, die aufgrund von Bautätigkeiten und Sanierungen zur Wildtierhilfe Wien gebracht werden, können ausgewildert werden.
Um auf die gebäudebrütenden Arten aufmerksam zu machen, unterstützt die Wiener Umweltanwaltschaft das Citizen Science Projekt „Mauersegler in Wien“ der MA 22 – Umweltschutz.
Baum- und Heckenschnitte
Wildtiere, die sich in Bäumen oder Hecken aufhalten bzw. dort ihre Nester oder Quartiere haben, können bei Schnittmaßnahmen zu Schaden kommen. Das betrifft vor allem Fledermäuse, Eichhörnchen und Vögel. Deshalb sollten Rückschnitte und Pflegemaßnahmen von Bäumen und Hecken nicht während der Brutzeit (März bis September) durchgeführt werden. Bei älteren Bäumen ist besondere Sorgfalt nötig, da sich Fledermausquartiere in tiefen, nicht vollständig einsehbaren Baumhöhlen befinden können. Generell sollten Bäume und Hecken vor der Durchführung von Pflegemaßnahmen zu jeder Jahreszeit auf Wildtiere abgesucht werden.
Wie bei den Bautätigkeiten und Sanierungen können fast zwei Drittel der Hecken- und Baumschnittopfer, die in den Jahren 2019 und 2020 bei der Wildtierhilfe Wien abgegeben wurden, ausgewildert werden.
Weitere Informationen über Heckenschnitte, sowie die Ergebnisse einer Umfrage zu diesem Thema, haben wir unter „Vorsicht bei der Gartenarbeit – besonders beim Heckenschnitt“ zusammengefasst.
Berichte der Wildtierhilfe Wien:
Gefahrenquellen 2019 und 2020
Zusammenfassung der Gefahrenquellen 2016 bis 2018