Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Kritikpunkte
Das KKW Gösgen ist nach dem KKW Leibstadt der zweitjüngste Block in der Schweiz. Die Betriebsbewilligung gilt ohne zeitliche Einschränkung, solange die wiederkehrenden Prüfungen erfüllt werden können. Von Seiten der Betreiber wird eine projektierte Gesamtlebensdauer der Anlage von 60 Jahren genannt, was in Anbetracht der durch Neutronen induzierten Materialversprödung zahlreicher auch nicht auswechselbarer Komponenten (etwa des Reaktordruckbehälters) sowie weitere Alterungseffekte sicherheitstechnisch problematisch ist und möglicherweise eher durch ökonomische Überlegungen nahe gelegt wird.
Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Das KKW Gösgen stellt für die Stadt Wien zwar keine unmittelbare Bedrohung dar - selbst bei einem auslegungsüberschreitenden schweren Unfall mit hoher Freisetzung an Radioaktivität ist innerhalb Österreichs nicht mit Evakuierungsmaßnahmen zu rechnen. Dennoch stellen unbefristete Betriebsbewilligungen bei Kernkraftwerken auf Grund der durch Alterungsprozessen unterliegenden Materialien und nicht auswechselbaren Kraftwerkskomponenten ein sicherheitstechnisches Problem dar. Abhängig von der Art und Druchführung wiederkehrender Sicherheitsprüfungen kann eine unbefristete Betriebsgenehmigung den Betreiber dazu verleiten auch bei Nichterfüllung einzelner Sicherheitskriterien Druck auf die Aufsichtsbehörde auszuüben, um den zeitweiligen oder endgültigen Entzug der Betriebsgenehmigung zu entgehen. Die geplanten 60 Jahre Betriebszeit könnten in diesem Zusammenhang fälschlicherweise als Sollwert angesehen werden, der womöglich in der Realität nicht oder nur unter hohem Aufwand erreicht werden kann. Durch die fotschreitende Alterung tritt zusätzlich eine technische Veralterung der Anlage ein, auch wenn diese qualitativ noch in einem guten Zustand ist. Die Wiener Umweltanwaltschaft setzt sich daher generell dafür ein, dass für veraltete Kernkraftwerke keine Betriebszeitverlängerungen gewährt werden, da moderne Sicherheitsüberlegungen in diesem Fall unberücksichtigt bleiben.