Das ungewöhnlich trockene Frühjahr 2022 macht sich auch in unseren Böden bemerkbar. Erschwerend kommt hinzu, dass laut WWF das maximale Bodenverbrauchsziel von 2,5 ha pro Tag für das ganze Jahr 2022 bereits am 21. März überschritten wurde. Wir möchten hier die Wichtigkeit des Bodenschutzes, gerade in Zeiten der Klimakrise, sowie mögliche Schutzinitiativen und -maßnahmen erläutern.
Was unser Boden(leben) leistet
Boden ist begrenzt, nicht vermehrbar und unverzichtbar für unser tägliches Leben und Wirtschaften. Eine durchschnittlich 30 cm dünne Schicht fruchtbarer Humus, dessen Neubildung enorm viel Zeit benötigt (1 cm in 100 Jahren in unseren Breiten), bildet die Basis unserer Ernährung. Böden bieten unzähligen am Humusaufbau beteiligten Mikroorganismen, Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Lebensraum. Unter unseren Füßen arbeitet eine bunte Fülle an teils winzigen Organismen zusammen - darunter Algen, Bakterien, mikroskopisch kleine Amöben, unverwüstliche Bärtierchen, Fadenwürmer, Springschwänze, Regenwürmer und Co. Die Vielfalt des Lebens im Boden wird als wesentlich höher eingeschätzt als die Artenvielfalt darüber. Schon ein Teelöffel Erde enthält mehr lebende Organismen als es Menschen auf unserem Planeten gibt. Bodenlebewesen sind maßgeblich an Zersetzung und Nährstoffaufbereitung beteiligt. Einige Pflanzen und Pilze („Mykorrhiza-Pilze“) leben in Symbiose und „handeln“ mit Nährstoffen: Der Pilz tauscht für die Pflanze schwer erschließbare Nährstoffe wie Phosphat gegen Zucker ein. Regenwürmer gelten als „Ökosystemingenieure“, die für andere Bodenlebewesen und die mikrobielle Aktivität besonders wichtig sind. Sie graben ein Tunnelsystem, wodurch Pflanzenwurzeln leichter in die Tiefe wachsen können und ausreichend Zugang zu Luft und Wasser haben, durchmischen Bodenschichten, erleichtern das Eindringen von Regenwasser und wirken Verdichtung und Erosion entgegen. Zudem liefern sie den Pflanzen nährstoffreiche Ausscheidungen, hemmen ihre Krankheitserreger und fördern ihr Wachstum. Böden sind mit ihrer Filterfunktion und ihrer Schadstoffbindung für eine hohe (Grund-)Wasserqualität verantwortlich. Sie speichern Wasser und reduzieren damit das Hochwasserrisiko.
Wechselwirkung Klimakrise – Böden
Böden sind die größten Kohlenstoffspeicher an Land und damit wichtige Senken für atmosphärisches CO2 sowie Klimaschutz-Helfer. Pflanzen nehmen CO2 auf und sondern Kohlenstoff teilweise im Wurzelraum ab oder bringen ihn durch abgestorbene Bestandteile in den Boden ein, wo er an Minerale gebunden werden kann. Wenn Bodenorganismen abgestorbenes Material zu schwer abbaubarem Humus umwandeln (Humifizierung) anstatt dieses vollständig zersetzen, kann CO2 langfristig im Boden gebunden werden. Die höchsten Humusgehalte weisen gesunde Böden mit mehrjähriger Bodenbedeckung auf. Moorböden speichern den meisten Kohlenstoff, gefolgt von Waldböden, Grünland und letztlich Ackerböden. Bei Umwandlung einer Wald- oder Grünlandfläche zu Ackerland, kommt es beim Umbruch des Bodens zum verstärkten Abbau von Bodenkohlenstoff und zur Freisetzung als CO2. Die Klimakrise beeinflusst das Bodenleben und seine Zusammensetzung und kann dadurch Kohlenstoffflüsse zwischen Boden und Atmosphäre verändern. Im ungünstigen Fall können CO2-Emissionen aus dem Boden durch verstärkten, vollständigen Abbau von organischem Material (Mineralisierung) gefördert werden. Ebenso geht das Tauen von Permafrostböden oder das Austrocknen von Mooren (temperaturbedingt oder menschengemacht zur Torfgewinnung oder Landnutzung) mit hohen Treibhausgasemissionen einher, die das Klima weiter anheizen. Viele Bodenorganismen, wie Regenwürmer, sind nur bei ausreichender Bodenfeuchtigkeit aktiv. Für 2051 bis 2081 wird eine klimawandelbedingte Abnahme der durchschnittlichen Bodenfeuchtigkeit zwischen März und August prognostiziert (im östlichen Weinviertel bis zu 18 %), was unseren Regenwürmern die Fortpflanzungslaune verderben und andere Bodenorganismen dezimieren könnte. Ebenso ist die Abnahme der Ertragsfähigkeit unserer Böden wahrscheinlich.
Boden unter Druck
Bodendegradation (Verschlechterung des Bodenzustandes) betrifft 34 % der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen und beinhaltet zum Beispiel Erosion (Bodenabtrag) und damit einhergehende Nährstoffverluste, besonders wenn eine schützende Vegetationsdecke oder Windschutzhecken fehlen. Andere Formen der Bodendegradation sind Versalzung, Versauerung oder Wüstenbildung. In Europa beträgt der jährliche mittlere Bodenverlust durch Erosion 2,46 t pro ha, in Österreich auf Ackerflächen 5,8 t/ha und 3,9 t/ha auf allen landwirtschaftlichen Flächen (inklusive Grünland, Wein-, Obstbau). Während dadurch auf unseren Ackerböden ein Nährstoffmangel entsteht (besonders problematisch bei Phosphor, einer begrenzten Ressource) kann anderswo ein für Ökosysteme schädlicher Nährstoffüberschuss folgen. Die Kontamination mit Agrochemikalien, beispielsweise Pestizide, schädigt zudem Bodenorganismen und bei Eintrag in umliegende Ökosysteme oder ins Grundwasser auch zahllose weitere Organismen einschließlich uns selbst. Pestizidrückstände im Boden können von Organismen, wie Regenwürmern, aufgenommen werden und selbst in geringen, nicht tödlichen Dosen negative Effekte z. B. auf Fortpflanzung und Entwicklung nach sich ziehen. Nachteilig wirken auch Bodenverdichtung durch schwere Maschinen, tiefe Bodenbearbeitung (z. B. wird beim Pflügen Bodenkohlenstoff abgebaut) und Monokulturen, die Böden einseitig auslaugen.
Ein weiteres Problem ist die zunehmende Verknappung unbebauter, für die Biodiversität wertvoller Flächen. In Österreich entsprach der mittlere, jährliche Flächenverbrauch von 2018 bis 2020 beinahe der Größe Eisenstadts (42 km², rund 1 % davon entfiel auf Wien), und liegt mit täglich etwa 11,5 ha noch 4,6-fach über dem angestrebten, maximalen Bodenverbrauch bis 2030. Etwa 41 % der 2020 neu verbrauchten Flächen wurden auch versiegelt (44 % in Wien), mit katastrophalen Folgen für das Bodenleben. Versiegelung macht die landwirtschaftliche Nutzung fruchtbarer Böden (z. B. Schwarzerdeböden im Wiener Becken) dauerhaft unmöglich und erhöht unsere Importabhängigkeit. Zudem heizen versiegelte, dunkle Flächen sich und ihre Umgebung stark auf und eine Abkühlung durch die Vegetation fehlt. Regenwasser kann nicht in den Boden eindringen und Überschwemmungen werden begünstigt. Da durch die Klimakrise häufiger Hitzetage über 30 °C (besonders im Osten inklusive Wien), punktuelle Starkregenereignisse sowie der Landwirtschaft zusetzende Trockenperioden und Extremwetterereignisse zu erwarten sind, senken wir durch die Baulust unsere Lebensqualität.
Ehrgeizige Ziele und Bodenschutzinitiativen
Lösungsansätze existieren bereits, jedoch mangelt es vielfach noch an der Umsetzung. Viele von den Vereinten Nationen bis 2030 angepeilten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs; Sustainable development goals) betreffen direkt den Bodenschutz und streben eine Sanierung degradierter Böden sowie eine Steigerung des Gehalts organischer Substanz an, was auch zum Klimaschutz beiträgt. Die Vermeidung von Bodenkontamination durch Chemikalien, die Erhaltung von Ernährungssicherheit und Bodenqualität und eine Erosionsminderung werden ebenfalls angestrebt. Bodenschutz trägt auch zum Erreichen vieler weiterer UN-Ziele bei, wie sauberes Wasser, nachhaltige Städte und Gemeinschaften, Gesundheit und Wohlergehen etc. Die EU zielt auf einen Stopp des Netto Bodenverbrauchs bis 2050 ab. Österreich hat auch zahlreiche unverbindliche Empfehlungen zur Flächeneinsparung formuliert, darunter jene von der ÖROK (Österreichische Raumordnungskonferenz)
Im österreichischen Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) können Bodenschutzmaßnahmen von Landwirt*innen (z. B. eine möglichst kontinuierliche Pflanzenbedeckung schaffen) finanziell entlohnt werden. Der Bodenkohlenstoffgehalt von Äckern kann schon durch einfache Maßnahmen wie das Belassen von Ernterückständen am Feld gefördert werden. Am Klima- und Bodenschutzbeitrag von beständiger, kohlenstoffhaltiger Biokohle in Ackerböden wird derzeit geforscht. Es gibt auch innovative Entsiegelungs-Konzepte, beispielsweise das „Schwammstadt-Prinzip“, das städtische Böden versickerungsfähig für Regenwasser machen soll und zugleich durch unterirdische Schotterkörper den Wurzeln der Stadtbäume mehr Platz zur Ausbreitung verschafft.
Das globale Projekt „Conscious planet – save soil“ will Aufmerksamkeit auf den sich weltweit verschlechternden Zustand unserer Böden lenken und einen Wandel der derzeitigen Bodenpolitik erzielen. In Österreich gibt es ebenfalls Bewusstseinsbildungsinitiativen wie „Boden macht Schule“, wo Workshops für Schulklassen gebucht werden können. Für Landwirt*innen gibt es praxisnahe Beratungsangebote von „Bodenistleben“.
Die Rolle der WUA beim Bodenschutz
Die Wiener Umweltanwaltschaft setzt sich unermüdlich in Flächenwidmungsverfahren mittels Stellungnahmen für eine Reduktion von Flächenverbrauch und -versiegelung ein und beteiligt sich an der Initiative „Gemeinsam für unseren Boden“. Bei letzterer sollen konkrete Lösungen erarbeitet werden, um beispielsweise unverbaute, insbesondere fruchtbare Flächen vor Verbauung und Versiegelung zu schützen (z. B. durch Gesetze oder finanzielle Anreize wie Versiegelungsabgaben). Altstandorte sollen saniert, bereits bestehende Infrastruktur effizienter genutzt (z. B. leerstehende Bauten nutzen) und Verbauung kompensiert werden (z. B. Entsiegelung im nahen Umfeld).
Zudem fordert die WUA ein Bodenschutzgesetz mit Mindestanteilen an unversiegelten Flächen und klare Siedlungsgrenzen.
Wie kann ich selbst Boden schützen?
Wir können durch folgende Maßnahmen selbst zu Bodenschützer*innen werden:
- Zu Bio-Produkten greifen
- Tierische Produkte mit hohem Ackerlandverbrauch öfter durch pflanzliche (z. B. Hülsenfrüchte) ersetzen und dadurch unser Klima schützen
- Lebensmittelabfälle und damit Flächenverschwendung reduzieren
- Den Versiegelungsgrad auf unserem Grundstück gering halten
- Bei Gartenarbeiten auf Torfprodukte und Chemikalien wie Pestizide verzichten
Auf Bio-Äckern mit bodendeckenden Pflanzen unter den eigentlichen Kulturpflanzen (Untersaaten), organischer Düngung, dem Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und dem aufeinanderfolgenden, wechselnden Anbau verschiedener Pflanzen (Fruchtfolgen), lassen sich im Vergleich zu konventionellen Äckern höhere Humusgehalte nachweisen. Dies geht auch mit höherer Wasser- und CO2-Speicherkapazität, Bodenbiodiversität und mikrobieller Aktivität einher. Daher können biologisch bewirtschaftete Systeme in der Regel mit den Auswirkungen der Klimakrise, beispielsweise Trockenheit oder Extremwetterereignissen, besser umgehen. Unser derzeitig hoher Fleischkonsum verbraucht durch den Bedarf an Kraftfutter enorme Mengen in- und ausländischen Ackerlandes. Besonders problematisch sind hierbei importierte Futtermittel, wie brasilianisches Soja aus artenreichen, CO2-bindenden, tropischen Regenwäldern. Mit einer fleischreduzierten Ernährung (20 kg pro Jahr) könnten pro Person und Jahr gegenüber einer durchschnittlichen Ernährung fast ein Drittel des Flächenverbrauchs eingespart werden. Wenn wir gar kein Fleisch konsumieren, verbrauchen wir jährlich rund 42 % weniger Fläche. Lassen wir sämtliche tierische Produkte weg, beträgt die Ersparnis sogar etwa zwei Drittel. Das frei zugängliche „WeltTellerFeld“ im 22. Wiener Gemeindebezirk stellt den jährlichen Flächenverbrauch der durchschnittlichen österreichischen Ernährung für Groß und Klein anschaulich dar.
Weitere Informationen:
- Tagungsbericht Gemeinsam für unseren Boden (WUA & Stadt Wien - Umweltschutz, Umweltbundesamt, AGES, Land Oberösterreich)
- Essen wir die Welt gesund - Eine Bestandsaufnahme zur Krise und Zukunft unserer Ernährung (WUA)
- Information zu Humus (Blühendes Österreich)
- Boden in Wien (WUA)
- Boden und Klima - Klimawirkung der biologischen Bodenbewirtschaftung (FIBL)
Quellen:
- BEAT Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich (AGES)
- Flächeninanspruchnahme und Versiegelung in Österreich (Umweltbundesamt)
- Versiegelungsgrad bei jährlicher Flächeninanspruchnahme in Wien (Umweltbundesamt)
- Bodenerosion in Österreich – Eine nationale Berechnung mit regionalen Daten und lokaler Aussagekraft für ÖPUL (Bundesamt für Wasserwirtschaft, AGES, WPA)
- Klimaschutzbericht 2020 (Umweltbundesamt)
- State of knowledge of soil biodiversity - Status, challenges and potentialities - 2020 (FAO, ITPS, GSBI, SCBD, EC)
- Österreichische Sachstandsbericht Klimawandel 2014 - AAR14 (APCC)
- Moore im Klimawandel (Österreichische Bundesforste, WWF, Umweltbundesamt)
- The State of the World’s Land and Water Resources for Food and Agriculture – Systems at breaking point. 2021. Synthesis report (FAO)
- Einfluss von unterschiedlichen Ernährungsweisen auf Klimawandel und Flächeninanspruchnahme in Österreich und Übersee (FIBL, DIETCCLU)
- Chimani et al. 2016 Endbericht Öks15, Klimaszenarien für Österreich Daten - Methoden – Klimaanalyse (ZAMG, CCCA, Ministerium für ein lebenswertes Österreich, Wagner Center, Uni Graz, Uni Salzburg, Z_Gis)
- Panagos et al. 2015 - The new assessment of soil loss by water erosion in Europe. Environmental Science and Policy
- Muller et al. 2017 - Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture. Nature Communications
- Gunstone et al. 2021 - Pesticides and Soil Invertebrates: A Hazard Assessment. Front. Environ. Sci.
- Lüscher et al. 2014 - Responses of plants, earthworms, spiders and bees to geographic location, agricultural management and surrounding landscape in European arable fields. Agriculture, Ecosystems & Environment
- Pelosi et al. 2021 - Residues of currently used pesticides in soils and earthworms: A silent threat? Agriculture, Ecosystems & Environment
- Alewell et al. 2020 - Global phosphorus shortage will be aggravated by soil erosion. Nat Commun
© Fotos: Ramona Cech