WUA leitet Arbeitsgruppe zur Optimierung des Wiener Rattenmanagements
Ratten halten sich schon seit jeher in der Nähe des Menschen auf, denn wo Menschen leben, gibt und gab es auch schon immer reichlich Nahrung für Ratten. Achtlos fallen gelassener Verpackungsmüll mit Essensresten, in der Toilette “entsorgte” Speisereste und für Ratten leicht zugängliche Müllcontainer sind ein gefundenes Fressen. Seit Jahrhunderten beschäftigt sich die Menschheit deshalb auch mit Rattenbekämpfungsmaßnahmen, um die öffentliche Gesundheit zu wahren.                 

ratte kleinDenn Ratten können prinzipiell eine Vielzahl an Krankheiten auf den Menschen übertragen. Vor allem, wenn sie im Kanalsystem unterwegs sind, kommen sie über unsere Ausscheidungen mit humanen Krankheitserregern in Kontakt. Sie selbst können nicht nur durch Bisse, sondern auch über ihren Kot und Urin, den sie beispielsweise in Kellern hinterlassen, wiederum Infektionen auf den Menschen übertragen. Dazu zählen unter anderem das Rattenbissfieber oder die sogenannte Leptospirose, die tödlicher als eine klassische Grippe ist. Wie oft es tatsächlich in der Praxis zu solchen Übertragungen von Ratte zu Mensch kommt, ist allerdings ungeklärt. Dies sollte unserer Meinung nach in den nächsten Jahren besser untersucht werden, um die tatsächliche Gefahr, die von Ratten ausgeht, besser einzugrenzen.

Während um 1800 vielerorts auf bauliche Maßnahmen zur Verhinderung der Einnistung von Ratten gesetzt wurde, steht heutzutage die Bekämpfung mittels Rattengiften (Rodentiziden) im Fokus. Letztere packt jedoch das Problem nicht an der Wurzel und bringt eine Reihe schwerwiegender Umweltprobleme und Tierleid mit sich. Nicht nur für die Ratten selbst, sondern auch für deren Fressfeinde oder harmlose oder sogar geschützte Kleintiere.

Ob Ratten in früheren Jahrhunderten tatsächlich maßgeblich an der raschen Ausbreitung der Pest beteiligt waren, ist bis heute unklar.

Schutz der Gesundheit

Jedenfalls verpflichtet die Wiener Rattenverordnung Liegenschaftseigentümer*innen dazu, gegen Ratten vorzubeugen und sie gegebenenfalls zu bekämpfen, um die Gesundheit der Wiener Bevölkerung zu wahren. Bei Rattensichtungen müssen Eigentümer*innen entweder selbst Bekämpfungsmaßnahmen setzen oder erfahrene Unternehmen für Schädlingsbekämpfung mit der Kontrolle und Bekämpfung beauftragen.

Von professionellen Schädlingsbekämpfer*innen werden derzeit großteils sogenannte Antikoagulanzien der zweiten Generation als Gifte eingesetzt. Sie führen zeitverzögert – nach einem Zeitraum von bis zu 7 Tagen nach der Aufnahme - zu schweren inneren Blutungen und letztlich zum Tod. Durch diese Zeitverzögerung können Ratten den Tod ihrer vergifteten Artgenossen nicht mehr mit dem Fraß am Giftköder in Verbindung bringen und entwickeln keine Scheu vor dem Köder. Die Anwendung von Antikoagulanzien der zweiten Generation ist für Private verboten, da sie lange in der Umwelt (in Gewässern und Böden) verbleiben, sich in Organismen und in der Nahrungskette anreichern und schon in niedrigen Konzentrationen die Fortpflanzung, Fitness und das Verhalten von kontaminierten Wildtieren beeinträchtigen. Letztlich können Rodentizide durch ihre weitreichenden negativen Folgen für die Umwelt (wie etwa eine Aufkonzentration in Fischen) auch die Gesundheit der Bevölkerung beeinträchtigen, obwohl diese eigentlich durch ihren Einsatz geschützt werden soll.

Rodentizide ziehen einen Rattenschwanz an Problemen mit sich

Rodentizde vergiften also häufig nicht nur die zu bekämpfenden Nager, denn sie wirken nicht selektiv nur auf Ratten und Mäuse, sondern gefährden auch Nützlinge, Haustiere oder sogar Kleinkinder, sollten diese mit Giftködern in Kontakt kommen. Insbesondere, wenn Köderboxen im Rahmen von Vandalismus aufgebrochen werden, ist besondere Vorsicht geboten. Auch streng geschützte Arten (z. B. Feldhamster, samenfressende Vögel, Zwergmäuse, Spitzmäuse etc .) können Rodentiziden zum Opfer fallen. Der Rodentizid-Einsatz steht somit auch mit dem Wiener Naturschutzgesetz in Konflikt. Auch Raubtiere und Aasfresser werden vergiftet, wenn sie Nager erbeuten, welche zuvor am Köder gefressen haben (Sekundärvergiftung). Als Risikominderungsmaßnahme sieht zwar §4 Abs. 3 der Wiener Rattenverordnung vor, Kadaver vergifteter Ratten unverzüglich einzusammeln, jedoch ist fraglich, wie gut dies in der Praxis gelingt - insbesondere, wenn sich sterbende Ratten in schlecht einsehbare Verstecke zurückziehen. Bisher belegen zahlreiche internationale Studien Rückstände von Rodentiziden in Wildtieren (z. B. Waldkauz, Schleiereule, Fuchs, Steinadler, Rotmilan, Igel, Uhu, Mäusebussard, Dachs, Reptilien etc.). Das Österreichische Umweltbundesamt konnte Rückstände von Antikoagulanzien in Leberproben von Füchsen und Greifvögeln sowie in Fischen nachweisen - die gemessenen Konzentrationen waren bei 30 % der Vogelproben und über einem Viertel der Fuchsproben so hoch, dass von negativen Auswirkungen auszugehen ist. Wirkstoffrückstände konnten in anderen Studien auch in Gewässersedimenten und in Wirbellosen wie Insekten, Schnecken und Regenwürmern gefunden werden.

Neue Arbeitsgruppe der Wiener Umweltanwaltschaft

muellablagerung kleinDie Wiener Strategie zur Pestizidminimierung sieht auch die Gründung einer Arbeitsgruppe zur Begrenzung des Biozid-Einsatzes in Wien vor. Die WUA gründete im Herbst 2023 diese Arbeitsgruppe. Erstes Ziel ist es, den Rodentizideinsatz in Wien zu minimieren. Mit insgesamt zwei Dutzend Dienststellen, sowie in- und externen Organisationen möchten wir Lösungen für ein nachhaltigeres Rattenmanagement entwickeln. Dabei soll durch den intensiven Wissensaustausch in einem ersten Schritt eine gemeinsame Wissensbasis aufgebaut werden. Auch Vertreter*innen aus der internationalen Rattenforschung und Verantwortliche für das Rattenmanagement aus anderen Städten sollen im Rahmen von Präsentationen Best-Practice Beispiele vorstellen und mit der Arbeitsgruppe für Wien geeignete Lösungen diskutieren. Städte wie Bonn, Zürich, Erfurt oder Lörrach haben in den letzten Jahren ihr Rattenmanagement teilweise radikal reformiert und konnten den Einsatz von Rattengift durch gezieltes Monitoring und mehr Präventionsmaßnahmen um bis zu 98 % senken. Das sind große Erfolge, die wir uns gemeinsam genauer ansehen, um von den innovativsten und erfolgreichsten Ansätzen zu lernen.

Aus anderen Städten hat uns bisher besonders beeindruckt, dass immer mehr Städte über digital vernetzte Köderboxen ein stadtweites Rattenmonitoring aufgebaut haben und so auch Daten generieren über die Veränderungen des Rattenbefalls und den Erfolg diverser Maßnahmen. In Wien gibt es derzeit keine vergleichbare Datenbasis.

Auch die Bildung eines stadtweit agierenden Präventionsteams aus Expert*innen, welches bei Rattenbefall vor Ort geht, die Ursachen erkundet und gezielt beseitigt, wie dies in Zürich geschehen ist, klingt vielversprechend. Letztendlich senken solche Maßnahmen die Ausgaben für Bekämpfungsmaßnahmen mit umweltschädlichen Giften und auch das Rattenvorkommen sinkt auf ein natürliches und weitgehend ungefährliches Maß.

Das gut versteckte Anbringen von Köderboxen unter Kanaldeckeln, welche Ratten gerne als Versteck nutzen oder in einer Nische unter für Ratten besonders attraktiven Mülleimern, senkt die Gefahr von Vandalismus und die Vergiftung von geschützten Kleintieren. Es ist jedenfalls dem offenen Auslegen von Köderboxen in der Natur vorzuziehen.

Positiv hervorheben möchten wir, dass derzeit im Wiener Kanal kein Rattengift eingesetzt wird und somit die Gewässer vor dem Eintrag von umweltgefährlichen Giften geschont werden. Auch das Projekt von Wien Kanal, in welchem „Karl, der Kanalarbeiter“ Schulen besucht und die Kinder über den richtigen Umgang mit dem WC aufklärt, und warum man keine Essensreste in der Toilette entsorgen soll, ist ein Best Practice Beispiel im Bereich der Bewusstseinsbildung zur Rattenbekämpfung.

Besonders wichtig ist der Wiener Umweltanwaltschaft ein Fokus auf Prävention. Wenn wir durch ein noch gezielteres Sauberhalten unserer Stadt die Futterquellen für Ratten reduzieren, können wir mit einem deutlich geringeren Gifteinsatz eine nachhaltige Senkung der Rattenpopulationen erreichen. Und hierzu können wir alle etwas beitragen.

Was kann jede/jeder von uns tun?

Ohne das Mitwirken der Bevölkerung kann ein nachhaltiges Rattenmanagement in einer Großstadt nicht gelingen. Und so kann jeder von uns einen Beitrag zu weniger Ratten, weniger Tierleid, sowie zum Schutz unserer Gesundheit und speisereste toilette klein unserer wertvollen Bestände von Feldhamstern- und Greifvögeln und weiteren Nicht-Ziel-Arten leisten:

  • Lebensmittel nicht achtlos wegwerfen!
  •  Wer Zeug*in von illegalen Müllablagerungen wird, kann dies samt Standort beispielsweise über die App „Sag‘s Wien“ melden oder sich direkt an die Stadt Wien - Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark (MA 48) wenden, z. B. über das sogenannte Misttelefon (01/546 48).
  • Ebenso können die Waste Watcher der MA 48 oder - bei Parks und weiteren öffentlichen Grünflächen - jene der Wiener Stadtgärten (MA 42) bei Littering informiert werden. Weitere Informationen:
  • Niemals Lebensmittelabfälle in die Toilette entsorgen!
  • Richtig kompostieren: Speisereste, Fleisch, Eier, Brot, Käse und gekochte Lebensmittel gehören NICHT auf den Komposthaufen. Lediglich Küchenabfälle (z. B. Obst-, Gemüse-, Tee- und Kaffeereste) und Gartenabfälle (z. B. Grünschnitt) kommen auf den Komposthaufen.
  • Lebensmittel/Tierfutter für Nager unzugänglich aufbewahren (z. B. in dicht geschlossenen Behältern) und rattensichere Müllcontainer benutzen.
  • Tauben nicht füttern – insbesondere nicht mit Speiseresten, Brot etc., die dann liegen bleiben und Ratten anlocken. Die Fütterung von Wasservögeln ist verboten!
  • Potenzielle Unterschlupfmöglichkeiten (z. B. Unrat, Sperrmüll) entfernen.
  • Bauliche Maßnahmen umsetzen, damit Ratten nicht leicht in Gebäude eindringen können (z. B. Katzenklappen, Drainagen etc. für Ratten unzugänglich machen, Tür/Torspalten mit Bürstenleisten versehen etc.). Zwischenböden im Zuge der Sanierung älterer Gebäude entfernen (gegen Hausmäuse und Hausratten).

Die WUA freut sich über die neue Aufgabe und hofft, dass wir gemeinsam mit unseren zahlreichen Partner*innen bald erste Ergebnisse präsentieren können.

Copyright Fotos: Walter Domoracky, Ramona Cech

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