Die WUA nahm an der 35. Konferenz der Society of Ecotoxicology and Chemistry (SETAC) in Wien teil. Im Mittelpunkt standen dabei die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Themen Mikro- und Nanoplastik sowie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Expert*innen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und Vertreter*innen zahlreicher Institutionen kamen zusammen, um Herausforderungen und Lösungsansätze im Umgang mit diesen Stoffgruppen zu diskutieren.
Mikro- und Nanoplastik: Ein globales Problem
Eines der zentralen Themen dieser Konferenz war die Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik. Die unter 5 µm großen Stoffpartikeln lassen sich aufgrund verschiedenster mikroskopischer und instrumenteller Methoden in vielen Bereichen des Lebensumfelds nachweisen, und zwar in Luft, Wasser, Boden sowie in Nahrungsmitteln. Mikroplastik kann dabei nicht nur mechanische Schäden im Körper verursachen, sondern birgt auch gesundheitliche Risiken durch die Freisetzung von Additiven.
Luftbelastung durch Mikroplastik
Eine Studie der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Deutschland untersuchte die Mikroplastik-Luftbelastung einer Textilfabrik. Diese gilt aufgrund der Herstellung von kunststoffhaltigen Textilfasern als signifikanter Treiber von Mikroplastik-Emissionen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden Luftproben in einer Produktionshalle als auch in einem angrenzenden Bürogebäude genommen.
Die Untersuchung zeigt, dass sich auch in räumlich getrennten Bürobereichen Mikroplastikpartikel nachweisen lassen, wenn auch in geringerer Konzentration als in der Produktionshalle. Dies wirft Fragen hinsichtlich des bestehenden Arbeitsschutzes auf und unterstreicht die Notwendigkeit, Schutzmaßnahmen anzupassen.
Emissionsquellen von Mikroplastik
Das niederländische Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM) analysierte die Eintragsquellen von Mikroplastik in den Niederlanden und in Europa. Die Studie identifizierte dabei den Reifenabrieb als Hauptemittent, gefolgt von der industriellen Verarbeitung von Kunststoffpellets und den Umgang mit Plastikabfällen. Außerdem kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich der Großteil des Mikroplastiks im Boden anreichert. Diese Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für gezielte Maßnahmen zur Verringerung des Mikroplastikeintrags in die Umwelt.
Mikroplastik beeinflusst Algenentwicklung durch Biofilmbildung
Ein weiterer Fokus der Konferenz lag auf den möglichen Auswirkungen von Mikroplastik im aquatischen Ökosystem. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung zeigte, dass Mikroplastik im Wasser Biofilme bilden und die Algenentwicklung verändern können.
Denn es wurde nachgewiesen, dass Mikroplastik-Biofilme die Entstehung neuer Algenspezies begünstigen, die Gene für die Bildung von Carotinoiden tragen. Diese Algen sind in der Lage, auch unter sauerstoffarmen Bedingungen Energie durch Lichtaufnahme zu gewinnen. Zudem hängt die Bildung dieser Biofilme untere anderem von der Salzkonzentration im Wassers sowie vom Vorkommen polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) ab.
Mikroplastik-Übertragung von Mutter auf Fötus
Zahlreiche Fachpublikationen haben bereits bestätigt, dass Mikroplastik in den menschlichen Körper aufgenommen werden kann. Die Universität Utrecht in den Niederlanden beschäftigt sich nun mit der weiterführenden Frage, ob eine Weitergabe von Mikroplastik von der Mutter auf den Fötus während der Schwangerschaft möglich ist.
Dafür kam ein künstlicher Mutter-Kind-Kreislauf zum Einsatz, um die Aufnahme und mögliche Übertragung von Mikroplastik im Labor zu simulieren. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass nach der Zugabe von Mikroplastik zwar eine erhöhte Konzentration im mütterlichen Blut festgestellt wurde, jedoch in der fetalen Seite – also im Blutkreislauf des Fötus – keine signifikante Zunahme gemessen wurde. Eine mögliche Erklärung liefert die beobachtete Anhäufung von Mikroplastikpartikeln (50-200 nm) an der Stelle des Blutaustausches.
Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sowohl die Partikelgröße als auch die Konzentration von Albumin – einem wichtigen Transportprotein im Blut – bei der Diffusion von Mikroplastik durch Zellbarrieren eine Rolle spielen.
PFAS: Die „Ewigkeitschemikalien“ und seine Herausforderungen
Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS), die auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet werden, fassen eine Gruppe von synthetisch hergestellten Chemikalien zusammen. Aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften finden sie in einer Vielzahl von Alltagsprodukten Anwendung, zu denen beispielsweise Kochgeschirr, Kleidung, Lebensmittelverpackungen und Feuerlöschschäume zählen. Ihre hohe chemische Stabilität führt zu einer sehr langsamen Abbaubarkeit in der Umwelt. Die Anreicherung von PFAS-Verbindungen entlang der Nahrungskette ermöglicht die Aufnahme dieser Verbindungen über die Nahrung. Die hohe Langlebigkeit in Kombination mit der bioakkumulierenden Eigenschaft führt zu neuen Herausforderungen in ihrer Regulierung. Gleichzeitig rückt ihre mögliche gesundheitsschädliche Wirkung zunehmend in den Fokus der Forschung.
PFAS-Entfernung durch Filter und welche Parameter eine Rolle spielen
Zur Entfernung von PFAS-Verbindungen wurde unter anderem die Methode der Adsorption von der Universität Wageningen erforscht. Dabei ist die Frage zu berücksichtigen, ob lang- oder kurzkettige PFAS-Verbindungen entfernt werden sollen. Denn die Effektivität der Adsorption wird im Wesentlichen von den Eigenschaften des verwendeten Adsorptionsmaterials beeinflusst: Hydrophobe, neutrale organische Substanzen weisen eine höhere Adsorptionsfähigkeit gegenüber langkettigen PFAS-Verbindungen auf, während leichtere organische Materialien kurzkettige PFAS-Verbindungen effektiver zurückhalten können. Des Weiteren wird der Adsorptionsprozess durch die Temperatur beeinflusst. Es konnte festgestellt werden, dass bei höheren Temperaturen die Adsorption kurzkettiger PFAS-Verbindungen in der Regel abnimmt. Diese Erkenntnisse veranschaulichen, dass die Entfernung von perfluorierten Chemikalien aus der Umwelt nicht trivial erscheint und zahlreiche Parameter die Effizienz beeinflussen.
PFAS-Monitoring bei Wildtieren: Wölfe als Bioindikatoren
Unter den zahlreichen Postern, die noch einmal verdeutlichen, wie viel sich zu dieser Stoffgruppe in der Wissenschaft im Bereich der Umweltchemie und -toxikologie bewegt, fiel das Poster des Fraunhofer Instituts für Molekularbiologie und angewandte Ökologie besonders auf. In ihrem Poster wurde darauf hingewiesen, dass das Monitoring von perfluorierten Alkylverbindungen in Landökosystemen bislang unzureichend erforscht ist. Im Rahmen der Untersuchung wurden Wölfe der Art Canis lupus, die kürzlich wieder in Deutschland angesiedelt sind, auf PFAS untersucht.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass PFAS-Verbindungen insbesondere in Wölfen akkumuliert wurden, die sich in der Nähe militärischer Trainingslager aufhalten. Im Vergleich zu Wildschweinen weisen Wölfe jedoch niedrigere PFAS-Konzentrationen auf, da sie Rehe mit geringeren PFAS-Belastungen als Nahrung aufnehmen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass weibliche Wölfe über zusätzliche Eliminationsmechanismen wie Geburt und Laktation verfügen, weshalb ihre PFAS-Belastung im Vergleich zu männlichen Wölfen geringer ist.
Neue Methode: PFAS-Bestimmung in Trockenblutproben möglich
Im Bereich des Biomonitorings hat die Universität Wien erfolgreich nachgewiesen, dass sich trockene Blutproben als Probenmaterial eignen, um nicht-flüchtige Substanzen zuverlässig nachzuweisen. Mittels moderner instrumenteller Analytik konnten PFAS-Verbindungen mit hoher Wiederfindungsrate bestimmt werden. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass Frauen im Durchschnitt einer höheren PFAS-Exposition ausgesetzt sind als Männer. Dieser Unterschied lässt sich durch die häufigere Verwendung von kosmetischen Produkten mit PFAS-Inhaltsstoffen erklären.
Der Mehrwert dieser Methode besteht in ihrer geringen invasiven Natur, der einfachen Handhabung und Lagerung, was sie insbesondere für großflächige und langfristige Überwachungsstudien geeignet macht.
Fazit: Prozesskontaminanten stellen Wissenschaft vor vielschichte Herausforderungen
Die Entwicklung neuer Tools macht deutliche Fortschritte – etwa bei der Erfassung von Mikroplastik in kleinsten Konzentrationen, der Bestimmung von PFAS-Verbindungen in verschiedenen Probenmatrizen, sowie bei der Einschätzung ihrer Gesundheitsgefahr. Dennoch wiesen die Wissenschaftler*innen darauf hin, dass die entwickelten Analysemethoden in Bezug auf eine Harmonisierung noch Entwicklungspotenzial besitzen. Dies verdeutlicht die große Bedeutung, internationale Standards zu entwickeln, um ein konsistentes und präzises Bild der Umweltbelastungen zu erhalten.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der thematisiert wurde, ist die Tatsache, dass wir nicht nur einer einzelnen Chemikalie, sondern einer komplexen Mischung verschiedener Chemikalien ausgesetzt sind. Aus diesem Grund widmet sich die Wissenschaft derzeit auch der Untersuchung von Wechselwirkungen verschiedener chemischer Substanzen und ihren Auswirkungen.
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PFAS: "Ewigkeits-Chemikalien" in unserem Alltag
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