Bestandsaufnahme zur Krise und Zukunft unserer Ernährung
Lebensmittel sind unser Mittel zum Leben. Ohne ausreichende Lebensmittel ist buchstäblich alles nichts. Grund genug, Österreichs Umgang mit fruchtbaren Böden sowie unsere Lebensmittelproduktion und Ernährungsweise einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn Bodenverschwendung und Klimakrise verknappen Österreichs Ackerflächen zusehends. Die nötige Fläche für die aktuelle Ernährung unserer Bevölkerung liegt derzeit zu 40 % im Ausland und umfasst auch viele Produkte, die auch in Österreich gedeihen. Und die Abhängigkeit von Importen steigt kontinuierlich und damit von globalen Preisschwankungen für Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt.

Langfassung der Bestandsaufnahme: Essen wir die Welt gesund!

Nahrungsunsicherheit in Österreich

landschaft jaros kleinKeine gute Entwicklung, denn während die Weltbevölkerung steigt, ging in den letzten 150 Jahren laut einem Bericht der FAO bereits die Hälfte des fruchtbaren Bodens auf der Erde verloren (Chris Arsenault. 2014. „Top Soil Could Be Gone In 60 Years If Degradation Continues, UN Official Warns” GREEN, Reuters, 5. Dez. 2014. 2 FAO. 2016). Dies vor allem durch Entwaldung, Erosion, Versalzung sowie auch klimakrisenbedingt durch Verödung oder Wüstenbildung. Zudem geht weltweit jedes weitere Jahr circa die doppelte Fläche Österreichs an fruchtbaren Bodenflächen verloren. Und die Klimakrise beschleunigt sich in den letzten Jahren deutlich. Sie könnte bereits bis Mitte des Jahrhunderts einer halben bis einer Milliarde Menschen die Lebensgrundlagen rauben.

Dabei litten schon im Jahr 2019 weltweit rund 673 Millionen Menschen durch Misswirtschaft und ungerechte Verteilung von Agrargütern an Unterernährung. Und in Österreich sind etwa 6,6 % der Bevölkerung von Nahrungsunsicherheit betroffen, also rund 483.000 Menschen. Durch die Coronakrise könnte sich diese Zahl verdoppeln.

Umso kostbarer ist der heimische Ackerboden. Doch Österreich geht damit äußerst sorglos um. So ist Österreich beim jährlichen Versiegeln von Flächen EU-weiter Spitzenreiter. Und die AGES kommt in einer Studie zur Klimakrise in Österreich zu dem Ergebnis, dass ein Großteil der österreichischen Ackerböden durch Austrocknung deutlich weniger Erträge liefern wird. Allein für Feldfrüchte wie Kartoffeln oder Weizen könnten sich die Erträge zwischen 2035 und 2065 gegenüber heute mehr als halbieren. Ernteverluste durch die weitere Versiegelung von Ackerflächen und durch das rasante Sterben von bestäubenden Insekten sind hier noch gar nicht mit eingerechnet.

Österreich ernährt sich ungesund

So ist es höchste Zeit, grundlegend umzudenken und sowohl unseren Umgang mit Boden, Dünger, Pestiziden und Lebensmittelabfällen zu ändern, als auch unsere durchschnittliche Ernährungsweise umzustellen. Denn im „Vergleich zur durchschnittlichen Ernährung in der EU, die auch nicht als gesund bezeichnet werden kann, konsumieren Österreicher*innen 43 % mehr alkoholische Getränke, 29 % mehr Fleischprodukte, 27 % mehr Zucker und 80 % mehr tierische Fette.“ So resümiert der WWF in einer Studie.

Die Hälfte der Getreideernte wird in der EU, wie auch in Österreich, an Tiere verfüttert. Soja und Palmöl werden in großen Mengen aus zerstörten Regenwaldgebieten nach Österreich importiert.

Die großen Chancen einer Ernährungsumstellung

Eine gesündere, fleischärmere Ernährung hätte zugleich enorm positive Auswirkungen für den Klima- und Naturschutz. Eine aktuelle Studie des Zentrums für globalen Wandel der Universität gemuese jaros kleinfür Bodenkultur und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau lieferte dazu kürzlich konkrete Zahlen für Österreich.

Für eine gesunde Ernährung sollten Herr und Frau Österreicher laut der Gesellschaft für Ernährung ÖGE zwei Drittel weniger Fleisch und Wurst essen und vor allem Bioprodukte konsumieren. Allein durch diese Maßnahme könnten die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft um 41 % gesenkt werden.

Da die Landwirtschaft an den heimischen Gesamt-Emissionen Österreichs einen Anteil von circa einem Viertel hat, wäre das eine Einsparung von 10 % der österreichischen Treibhausgasemissionen. Nachdem wir unsere heimischen Gesamtemissionen von 1990 bis 2018 nicht um eine einzige Tonne CO2 senken konnten, wäre das ein wesentlicher Beitrag auf dem Weg zur bis 2040 angestrebten Klimaneutralität, ohne dass wir jetzt alle vegetarisch oder vegan leben müssten. Eine solche Umstellung könnte theoretisch sehr rasch erfolgen, wenn die Bevölkerung überzeugt wird mitzumachen. Wir würden dann zwar seltener, dafür aber qualitätvolles Bio-Fleisch aus Österreich, dessen Produktion mit weniger Tierleid verbunden ist, mit größerem Genuss essen und dabei zugleich gesünder leben.

Zugleich würde die Landnutzung für Viehwirtschaft und Ackerbau von 1832 m² pro Person bei der ÖGE-konformen Kost auf 1266 m² sinken, bei vegetarischer Kost auf 1069 m² und bei einer veganen Ernährung sogar mit 629 m² auf ein Drittel. Auch die Importe von Soja aus ehemaligen Regenwaldgebieten als Futtermittel und von Palmöl könnte man sich schon bei der „ÖGE-Kost“ sparen.

obstbaeume jaros kleinEine komplett vegane Ernährung aller Österreicher*innen hätte aber auch Nachteile. Auf Almwiesen (viele Landschaften Österreichs sind so entstanden) oder z. B. Trockenrasen und Salzwiesen (NP Neusiedlersee), können hochwertige, tierische Lebensmittel produziert werden. Diese extensiv bewirtschafteten, nähstoffarmen Weideflächen sind für die Vielfalt und Menge an Insekten und Vögeln sogar ein echter Gewinn und die Biodiversität ist von einer Beweidung abhängig. Auf freiwerdenden Ackerbauflächen könnten mehr Ölsaaten und Gemüse angebaut werden, anstatt sie zu importieren und zusätzlich der Natur auch wieder Flächen zurückgegeben werden. So würden sich bei gleichzeitig breitem Umstieg auf biologische Produktion mit Humusaufbau die Böden regenerieren und auch die Bestände von bedrohten Pflanzen- und Tiergruppen (Insekten, Vögel) und -arten könnten sich wieder erholen. Die heimischen Ökosysteme wären damit robuster gegenüber den Stressfaktoren - entstanden aus der Klimakrise - und unsere Lebensgrundlagen, inklusive unserer Ernährung, wären besser gesichert.

Zugleich macht es Sinn, moderne Technologien, wie die Kombination von Gemüseanbau und Fischzucht zu fördern, die auf kleinen Flächen hohe, pestizidfreie Erträge bringen, sofern die Tierschutzanforderungen eingehalten werden können. Das würde auch die überfischten Meere entlasten, denn derzeit werden 94 % der in Österreich konsumierten Fische importiert.

Der Import von Lebensmitteln, welche bei uns nicht gedeihen, wie z .B. Kaffee, Tee, Schokolade und Südfrüchte, muss durch neue sozial fair und ökologisch orientierte Handelsverträge so gestaltet sein, dass wir Öksysteme und Menschen global nicht mehr ausbeuten.

WIR alle haben es gemeinsam in der Hand, diese Weiterentwicklung zu fordern, umzusetzen und selbst ein Teil davon zu werden, für ein gesundes Leben in einer intakten, lebendigen und vielfältigen Natur. Für uns selbst, und noch mehr für unsere Kinder und Enkel.

Das sollte es uns wert sein, ob als Politiker*in und Stakeholder durch die Anpassung von Förderungen und Regeln oder einfach als Bürger*in im Rahmen der 90.000 Mahlzeiten, die wir in einem durchschnittlichen Leben zu uns nehmen.

Mehr Informationen:

Bestandsaufnahme der WUA zur Krise und Zukunft unserer Ernährung: Essen wir die Welt gesund!, März 2021 - ausführliche Analyse der Wiener Umweltanwaltschaft mit weiteren überraschenden Daten, Fakten und Grafiken (inklusive aller Quellenangaben)

© Fotos: Marion Jaros, WUA

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