Mit dem Aufkommen zahlreicher „Nano“-Produkte ab Mitte der 2000-er Jahre stiegen die Erwartungen an verbesserte Stoffeigenschaften und ökologische Vorteile. Aufgrund ihrer vielseitigen Anwendbarkeit sind Nanomaterialien vor allem für Bau und Technik, aber auch Kosmetik und Lebensmittel interessant. Jedoch fehlten damals klare Nachweise, da Risikoabschätzungen von Nanomaterialien kaum erforscht waren. Zudem gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine einheitliche Definition dieses Stoffes.
Als Reaktion auf den „Nano-Hype“ initiierte die Stadt Wien im Rahmen von ÖkoKauf Wien eine Studie, die die Chancen und Risiken nanotechnologischer Produkte für die öffentliche Beschaffung analysierte. Seit dem letzten Positionspapier aus dem Jahr 2011 hat sich der Markt gewandelt. Neue Studien führten zu einer besseren Regulierung und mehr Bewusstsein für mögliche Risiken.
Was hat sich seither getan?
Seit der Veröffentlichung des letzten Positionspapiers im Jahr 2011 gibt es nun eine rechtliche Definition von Nanomaterialien. Die Europäische Kommission definiert Nanomaterialien als Materialien, die aus festen Partikeln bestehen und eine Größe zwischen 1-100 nm aufweisen. Diese Partikel können einzeln oder in Form von erkennbaren Verbünden auftreten und verschiedene Formen haben, etwa rund, länglich oder plättchenförmig.
Es gibt jedoch einige Kritikpunkte hinsichtlich der Definition, da nicht zwischen natürlichen und synthetischen Materialien unterschieden wird, sondern nur anhand der Partikelgröße. Expert*innen sehen diese Begrenzung als zu eng, da auch größere Partikel über 100 nm veränderte und potenziell riskante Eigenschaften besitzen können. Zudem wird die Festlegung, dass mind. 50% der Partikel diese Nanogröße erreichen müssen, als willkürlich betrachtet. Nichtsdestotrotz dient die rechtliche Definition als Grundlage für weitere Regulierungen. Dabei finden sich Regelungen zum Einsatz von Nanomaterialien in Kosmetikprodukten, Lebensmitteln und Bioziden.
Kosmetikprodukte: Die EU-Kosmetikverordnung regelt erstmals Nanomaterialien in „körpernahen“ Produkten. Unlösliche und nicht abbaubare Nanopartikel müssen demnach umfassend bewertet, gemeldet und als [nano] gekennzeichnet werden.
Lebensmittel: Die Verwendung von Nanomaterialien im Lebensmittelbereich ist in der Novel Food-Verordnung geregelt. Nanomaterial-haltige Lebensmittel müssen mit [nano] gekennzeichnet werden, um die Verbraucher hinreichend zu informieren und zu schützen. Auch Lebensmittelzusatzstoffe in Nanoform müssen neu zugelassen und bewertet werden. So wurde etwa das pulverige Weißpigment Titandioxid wegen möglicher Gesundheitsrisiken seit August 2022 in der EU als Lebemittelzusatzstoff verboten.
Biozide: Seit 2013 regelt die Biozid-Verordnung Nanomaterialien, einschließlich eines eigenen Zulassungsverfahrens und Kennzeichnungspflicht [nano] auf Verpackungen. Besonders Nanosilber erlebte aufgrund seiner antimikrobiellen Wirkung eine Renaissance in Produkten wie Textilien, Küchengeräten und Beschichtungen. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat Nanosilber als Biozid mittlerweile neu bewertet und verbietet seit August 2021 den Einsatz von Nanosilber in Desinfektionsmitteln, Lebensmittelkontaktmaterialien sowie Textilien und Lederprodukten.
Advanced Materials: Innovation versus Recyclingfähigkeit
Mittlerweile werden innovative Materialien, wie Nanomaterialien aber auch neuartige Biopolymere, spezielle Metalllegierungen, ultraleichte Schäume usw. unter dem Sammelbegriff „Advanced Materials“ zusammengefasst. All diese Materialien haben eines gemeinsam. Sie werden mit dem Ziel hergestellt, bestimmte Funktionalitäten zu erfüllen, die auf eine spezielle Anwendung zugeschnitten ist.
Dabei dürfen die Ziele der Europäischen Chemikalienstrategie, die auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft setzt, nicht aus den Augen verloren werden. Aufgrund ihrer komplexen Zusammensetzungen stellen „Advanced Materials“ eine erhebliche Herausforderung für Recyclingprozesse dar – sei es bei Kunststoffen, Solarzellen oder Elektronikgeräten. Die Umweltauswirkungen dieser Materialien, ihre Nutzungsdauer und ihre Entsorgung in der Zukunft sind derzeit nur schwer abzuschätzen. Um diese innovativen Materialien langfristig nachhaltig und sicher in den Kreislauf zu integrieren, sind daher umfassende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten notwendig.
Das neue ÖkoKauf Wien Positionspapier zu diesem Thema zeigt, dass die Nanotechnologie und „Advanced Materials“ zwar ein bedeutendes Innovationspotenzial bieten, gleichzeitig jedoch auch Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit, Regulierung und Recycling mit sich bringen. Ein sorgfältiger und verantwortungsbewusster Umgang ist besonders im Bereich der öffentlichen Beschaffung daher von großer Bedeutung.
Weitere Informationen:
ÖkoKauf Wien Posititionspapier-Nanotechnologie 2025 "Beschaffung von Produkten aus dem Bereich Nanotechnologie"
Nanotechnologie – Position der WUA
Nanosilber – schleichende Umweltgefahr unter dem Deckmantel der Hygiene
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