Wie wird bis 2050 eine EU-weite Kreislaufwirtschaft erreicht?
Im März 2020 präsentierte die Europäische Kommission einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, welcher auf den gesamten Lebenszyklus der Produkte, Ressourcenschutz, Stärkung der Position der Konsument*innen und eine nachhaltige EU-Wirtschaft zielt. Am 10. Februar 2021 nahm das Europäische Parlament den Entschluss zum neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft an. Der Aktionsplan ist einer der wesentlichsten Bausteine des europäischen Grünen Deals. Grundlegendes Ziel des Aktionsplanes ist der Schutz der Ressourcen und Primärrohstoffe, bzw. dass die genutzten Ressourcen so lange wie möglich in der Wirtschaft verbleiben. Dementsprechend muss der Materialfußabdruck und Konsumfußabdruck der Europäischen Union erheblich verringert werden. Bis zum Jahr 2050 sollte eine klimaneutrale, nachhaltige, giftfreie und geschlossene Kreislaufwirtschaft erreicht werden.
Stand der Dinge
Weltweit ist die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen und mehr als 90 % des Verlustes an biologischer Vielfalt und des Wasserstresses auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen. Wenn der globale Ressourcenverbrauch so intensiv betrieben wird, wie der jetzige durchschnittliche Verbrauch der EU-Bürger*innen, dann benötigen wir bis 2050 drei Planeten.
Die Verschwendung der natürlichen Ressourcen ist auf jeder Wertschöpfungsstufe zu finden und diese ist mit negativen Umweltauswirkungen eng verbunden. Bis zu 80 % der Umweltauswirkungen von Produkten haben ihren Ursprung in der Entwurfsphase. Zugleich stammen in der EU nur 12 % der verwendeten Werkstoffe aus dem Recycling. Beispielsweise werden in der EU jährlich 88 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet, davon entstehen 50 % auf der Wertschöpfungsstufe der Konsument*innen. Die Lebensmittelverschwendung ist verantwortlich für etwa 6 % der gesamten EU-Treibhausgasemissionen und hat gravierende Umweltauswirkungen. Auch im Textilbereich ist die Verschwendung enorm. Nach Schätzung der Europäischen Umweltagentur ist die Menge der in der EU gekauften Kleidungsstücke zwischen 1996 und 2021 um 40 % gestiegen, gleichzeitig werden mehr als 30 % der Kleidungsstücke seit mindestens einem Jahr nicht mehr getragen. Mehr als die Hälfte der aussortierten Kleidungsstücke wird nicht rezykliert, sondern im Hausmüll entsorgt und in weiterer Folge verbrannt oder deponiert. Weltweit werden weniger als ein Prozent aller Textilien zu neuen Textilien recycelt.
Viele Produkte werden schnell defekt, können auch nicht recycelt werden und sind oft nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Damit belasten sie die natürlichen Ressourcen und schaden der Umwelt.
Ein Überblick über grundlegende Inhalte des Aktionsplans
Der Aktionsplan sieht vor, dass die EU-Kreislaufwirtschaft bis zum Jahr 2050 klimaneutral, geschlossen, nachhaltig und schadstofffrei sein sollte. Um diese Ziele zu erreichen, werden verbindliche Mindestkriterien und Zielvorgaben eingeführt. Die Ressourcen sollten so lange wie möglich in Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden und Produkte sollten Wiederverwendbarkeit, Haltbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit aufweisen. Weitere Vorgaben sind die Reduktion des Verpackungsmaterials sowie Abfallvermeidung, Verpflichtung und Erhöhung des Rezyklatanteils in Produkten und Abbau gefährlicher Chemikalien in Produkten. Die Benutzung von Einwegprodukten soll eingeschränkt werden, weil sie eine erhebliche Belastung für die Umwelt und Ressourcen darstellen. Geplant ist, dass die öffentliche Beschaffung verpflichtend grün sein sollte. Eine umweltgerechte Vergabe bei öffentlichen Aufträgen ist ebenso wichtig wie die Berichterstattung.
Der Schwerpunkt beim Thema Abfall ist „weniger Abfall, mehr Wert“, im Einklang mit der EU-Abfallhierarchie. Die Abfallentstehung ist ganz zu vermeiden und wenn Abfall entsteht, ist dieser in hochwertige Ressourcen umzuwandeln. Abfall sollte als Rohstoff betrachtet werden - dazu muss ein gut funktionierender Binnenmarkt für Sekundärrohstoffe geschaffen und sichergestellt werden. Die Umsetzung der Abfallgesetzgebung soll überprüft und verbessert werden. Außerdem sind für die grenzüberschreitende Abfallverbringung die Vorschriften anzupassen und zu harmonisieren. Die Ausfuhr von Abfällen aus der EU sollte minimiert werden, die EU- Abfallproblematik sollte nicht auf Drittländer verlagert werden. Weiters wird geprüft, ob eine EU-weite Kennzeichnung die korrekte Trennung von Verpackungsabfällen an der Quelle erleichtern würde.
Der Plan sieht vor, dass gegen vorzeitige Obsolenz gehandelt und die Vernichtung nicht verkaufter langlebiger Güter verboten wird. Zudem sollten Verbraucher*innenrechte durch das „Recht auf Reparatur“ gestärkt werden. Weiters sind Konsument*innen in geeigneter Form über Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen zu informieren, um ökologische und nachhaltige Entscheidungen treffen zu können. Geplant sind auch Maßnahmen und Lösungen gegen „Grünfärberei" (so genanntes Greenwashing) sowie Mindestanforderungen für Nachhaltigkeitssiegel und -logos.
Die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz von Produkten ist grundlegend und erforderlich. Daher ist der Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie über energiebezogene Produkte hinaus zu erweitern. Innerhalb des Ökodesign-Rahmens sollten produktspezifische Vorgaben festgelegt werden, damit die in den Binnenmarkt gebrachten Produkte leistungsfähig, haltbar, wiederverwendbar, reparierbar, schadstofffrei, aufrüstbar, rezyklierbar und ressourcen- sowie energieeffizient sind.
Die Einführung neuer digitaler Technologien wie etwa Blockchain kann den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Prozesse unterstützen. Damit kann beispielsweise der Ressourcenverbrauch über den ganzen Produktlebenszyklus hinweg ermittelt, nachverfolgt und erfasst werden. Die Digitalisierung sollte als Komponente der Kreislaufwirtschaft betrachtet werden, insbesondere bezogen auf z. B. Produktpässe, Materialinformationen, Online-Plattformen, Verfügbarkeit und Weitergabe von Daten. Hierbei müssen Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet werden.
Der Aktionsplan beinhaltet sieben Schlüsselbereiche bzw. Wertschöpfungsketten, welche für die Realisierung einer Kreislaufwirtschaft von grundlegender Bedeutung sind: Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnologie, Batterien und Fahrzeuge, Verpackungen, Kunststoffe, Textilien, Bauwirtschaft und Gebäude, Lebensmittel, Wasser und Nährstoffe.
Diese Maßnahmen und Vorhaben können nur in enger Zusammenarbeit mit Behörden, Verbraucher*innen, Initiativen, Interessensträgern und Unternehmen sowie bereichsübergreifend realisiert werden. Der Rahmen der Kreislaufwirtschaft hat das Potenzial in der gesamten EU-Wirtschaft das BIP der EU bis zum Jahr 2030 um zusätzliche 0,5 % zu steigern und mehr als 700.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Um einen globalen Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu unterstützen und forcieren, wird sich die EU beispielsweise in ihren Freihandelsabkommen und ihren internationalen und multilateralen Umweltübereinkommen für die Kreislaufwirtschaft einsetzen, Partnerschaften und Zusammenarbeit in den Drittstaaten aufbauen und intensivieren.
Wie wird die Transformation überwacht und gemessen?
Im Jahr 2021 sind harmonisierte, vergleichbare und einheitliche Kreislaufindikatoren einzuführen bzw. zu aktualisieren. Sie sollen aus dem Material- und Konsumfußabdruck sowie aus Subindikatoren für die Ressourceneffizienz und Ökosystemleistungen bestehen. Außerdem sind sie mit harmonisierten Methoden zur Lebenszyklusbewertung und zur Bilanzierung des Naturkapitals in Einklang zu bringen. Der Plan sieht auch vor, die Überwachungsmaßnahmen für die Kreislaufwirtschaft zu aktualisieren und zu überarbeiten. Derzeitige Überwachungsmaßnahmen weisen keine umfangreichen und vollständigen Indikatoren auf, anhand derer sich die Entkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch und den Umweltauswirkungen messen lässt.
Warum ist die Kreislaufwirtschaft ausschlaggebend für die Klimaneutralität?
Die Kreislaufwirtschaft ist nicht nur wichtig für den Ressourcen- und Umweltschutz, sie sollte auch als eine Verantwortung gegenüber der Umwelt und dem Klimaschutz betrachtet werden. Die natürlichen Ressourcen werden immer knapper und viele sind nur begrenzt verfügbar. Ihre Gewinnung und Nutzung ist eng mit gravierenden negativen Umweltauswirkungen verbunden. Dazu kommt die globale, immer stärker steigende Nachfrage nach Rohstoffen. Die Kreislaufwirtschaft hat sehr viele Vorteile, wie z. B. den Erhalt der natürlichen Ressourcen, weniger Treibhausgasemissionen, die Erhöhung der Ressourcenunabhängigkeit, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Beschäftigungswachstums, mehr Innovationen und die Entwicklung neuer Berufsfelder. Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft sollten auf jeder Stufe bzw. in jeder Phase der Wertschöpfungskette beachtet und umgesetzt werden.
Einschätzung der WUA
An der Kreislaufwirtschaft führt kein Weg vorbei, will man Ressourceneffizienz weiterbringen. Der Kern sind allerdings langlebige Produkte. Die WUA ist der Überzeugung, dass für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft der Ausschluss von giftigen und umweltschädlichen Stoffen aus den Kreisläufen besonders wichtig ist. Skepsis ist bei der Anwendung von stark energieverbrauchenden digitalen Prozessen, wie Blockchain, angebracht.
Weitere Informationen:
- Entschluss des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zum neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft
- Aktionsplan Kreislaufwirtschaft
- Europäische Kommission, EU Circular Economy Action Plan
- Break Free From Plastic
- Position der Umweltanwaltschaften Österreichs zu "Stärkung der Mehrweggetränkeverpackungen"
- Lebensmittelabfälle – ein großer Schaden für Menschen und Umwelt, WUA
- Beiträge der Wiener Umweltanwaltschaft zur Bewältigung der Klimakrise
© Fotos: Dula Feichter, WUA