Allgemeines
Derzeit gibt es in Finnland zwei Standorte an denen Kernkraftwerke zur Stromproduktion betrieben werden - Loviisa und Olkiluoto. Da es in Finnland Bestrebungen gibt die Kernenergie massiv auszubauen, ist mittelfristig ist ein dritter Standort wahrscheinlich. Die beiden in Loviisa betrieben Blöcke sind zwei Druckwasserreaktoren vom sowjetischen Typ WWER-440/311, ein weiterer neuer Reaktorblock ist in Planung und soll 2018 in Betrieb gehen. Die beiden bestehenden Blöcke wurden ab Beginn der 1970er Jahre errichtet und gingen 1977 beziehungsweise 1981 ans Netz. Der Reaktortyp WWER-440/311 basiert auf der Baulinie V213, diese wurde in der Sowjetunion auf Grundlange der Vorgängerbaureihe V230 entwickelt, die in zahlreichen Staaten der sowjetischen Wirtschaftszone errichtet wurde, darunter auch in der Tschechoslowakei, in der DDR und in Ungarn. Die Reaktoren von Loviisa stellen innerhalb der Baureihe WWER 440 eine Sonderkonstruktion dar, wobei die nuklearen Komponenten aus der Sowjetunion geliefert wurden, die Leittechnik von Siemens und das zusätzliche Containment von Westinghouse.
Die beiden Blöcke von Loviisa werden durch die zu Großteilen in finnischen Staatsbesitz befindliche Fortum Oy betrieben. Die Anlage befindet sich auf einer kleinen Insel unweit der finnischen Küste im Südosten des Landes. Ursprünglich besaßen die beiden Einheiten Loviisa 1 + 2 je 440 MW elektrische Bruttoleistung. Durch technische Verbesserungen und Nachrüstungen sowohl im nuklearen als auch im konventionellen Teil konnte die Leistung schrittweise gesteigert werden und liegt nun bei 510 MWe Brutto- bzw. 488 MWe Netto-Output (Stand 2008). Das entspricht einer thermischen Leistung von 1500 MWth je Reaktor.
Ausbaupläne am Standort
Auf der nur für das Kraftwerk vorbehaltenen Insel ist noch Platz für einen dritten, größeren Block, der errichtet werden soll. Bereits Ende der 1990iger Jahre wurde im Zuge der öffentlichen Diskussion in Finnland die Errichtung eines weiteren Produktionsblockes in Loviisa erörtert. Damals einigten sich die beiden Energieunternehmen Fortum Oy und TVO (als Eigentümer für das andere finnische KKW Olkiluoto) die Pläne für Loviisa 3 zu verschieben, obwohl die öffentliche Zustimmung für den Standort laut einer Umfrage mit etwa 65 % höher lag als für einen Neubau am Standort Olkiluoto mit knapp über 50 %.
2009 soll die Grundsatzentscheidung für den neuen Block als Investitionsvereinbarung getroffen werden, vorher soll die Umweltverträglichkeitsprüfung mit Vorliegen der Erklärung abgeschlossen sein. Geplant ist die Errichtung eines KKW Blocks der Generation 3+ mit einer elektrischen Nettoleistung von 1000 – 1800 MWe (dies entspricht einer thermischen Reaktorleistung von cirka 2800 – 4600 MW). Die geplante Betriebsdauer soll 60 Jahre betragen. Umweltaspekte werden im grenzüberschreitenden Verfahren, an dem sich auch Österreich beteiligt, im Rahmen der Espoo-Konvention erörtert. Mit der Errichtung von Loviisa 3 wird nach der Ausschreibung und Vergabe voraussichtlich ab 2012 begonnen, womit bei sechsjähriger Bauzeit der Zeitplan zur Inbetriebnahme 2018 eingehalten werden könnte. Der Reaktortyp für Loviisa 3 wird erst im Zuge der Ausschreibung ausgewählt. Produkte vom russischen Hersteller Atomstroyexport aber auch der westeuropäischen Areva NP/Siemens gehören zur engeren Auswahl. Neben dem Preis für die Errichtung der Anlage sind auch zusätzliche Vertragsbedingungen wie Finanzierungskonditionen, Serviceverträge und die Versorgung mit frischem Kernbrennstoff von Bedeutung für das Bieterverfahren. Die Entsorgung der abgebrannten Brennelemente soll auch für Loviisa 3 im Rahmen des nationalen Endlagers in Olkiluoto erfolgen, das für die Aufnahme der zusätzlichen Mengen konzipiert wird.
Stellungnahme der WUA zur UVP KKW Loviisa 3
Bericht zum Konsultationstreffen (UBA, englisch) (936-KB-PDF)
Wichtige Zahlen im Überblick
Reaktortyp | Leistung (MW elektrisch) |
| Betriebsende | |
---|---|---|---|---|
Loviisa 1 | WWER-440/311 | 4901 (510)2 | 08.02.1977 | 2027 |
Loviisa 2 | WWER-440/311 | 4901 (510)2 | 04.11.1980 | 2030 |
Loviisa 3 |
offen |
1000 - 18002 |
1Nettoleistung: Netzeinspeisung nach Abzug des Eigenverbrauchs der Anlage
2Bruttoleistung: Inklusive der für den Betrieb notwendigen Leistung
- Entfernung von Wien (Luftlinie): Zirka 1.500 Kilometer
- Anteil der Anlage (L1 + L2) an der Stromerzeugung in Finnland: zirka 8,7 Prozent (2007)
- Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie in Finnland: zirka 28,4 Prozent (2007)
- Jahresstromerzeugung der Anlage L1 + L2: 8,119 TWh (200)
- Stromeinspesiung der Anlagen seit Betriebsbeginn: zirka 200 TWh (Ende 2007)
- Nettostromerzeugung in Finnland insgesamt: zirka 87 TWh (2007)
Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle
Unfälle oder Störfälle mit der Freisetzung von größeren Mengen radioaktiver Stoffe sind bisher nicht bekannt geworden. Beschreibungen von Zwischenfällen finden sich in den Betriebsberichten des Anlagenbetreibers Fortum Oy und der Aufsichtsbehörde STUK.
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Betriebsanomalien und Zwischenfällen mit begrenzten Auswirkungen, die jedoch auf bestimmte Anlagenteile begrenzt blieben (etwa radioaktive Kontamination bestimmter Bereiche im Containment).
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1993 kam es in Block 2 zum Bruch einer Speisewasserleitung mit einem Durchmesser von 500 Milimeter. Dieser Auslegungsstörfall ist mit der Gefahr verbunden, dass die Wärmeabfuhr aus dem Reaktor nicht länger gewährleistet werden kann. Bei Versagen weiterer Systeme kann eine Zerstörung des Reaktors die Folge sein. Im vorliegenden Fall konnte der Reaktor allerdings automatisch abgefahren werden.
-
Am 18.08.2000 ereignete sich in Loviisa 1 ein Störfall, bei dem zirka 10 m3 Primärwasser durch ein Leck in einem der Dampferzeuger austrat und mehrere Räume radioaktiv verseuchte. Der Störfall war nicht der einzige dieser Art, ereignete sich aber während der Reaktor heruntergefahren war.
Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Die beiden Reaktoren von Loviisa sind inzwischen in die Jahre gekommen. Die WUA setzt sich dafür ein, dass ein Betrieb der beiden Blöcke nicht auf Kosten der Sicherheit ausgedehnt wird. Für einen Weiterbetrieb ist ein zuverlässiges Alterungs-Management-Programm erforderlich, welches zwangsläufig auch mit dafür notwendigen Investitionen mehr als nur verbal unterlegt sein muss. Der Zustand der sicherheitsrelevanten Komponenten muss regelmäßig überprüft werden, damit kurzfristige Geschäftsinteressen wesentliche Sicherheitsaspekte nicht überdecken.
In Bezug auf die Neuanlage Loviisa 3 stellt die WUA die Frage, ob konsequente Energiesparmaßnahmen nicht längerfristig einen größeren und vor allem nachhaltigeren Effekt hinsichtlich der Versorgungssicherheit haben, als die Errichtung von zusätzlichen Erzeugungskapazitäten. Davon abgesehen wären neuen Erzeugungskapazitäten nach Ansicht der WUA in nachhaltiger Weise im Bereich der erneuerbaren Energieträger in Finnland gegeben. Bei der von der WUA abgelehnten Errichtung eines neuen KKW muss Finnland auch zeigen, ob eine sichere Endlagerung der Abfälle am geplanten Endlagerstandort in Olkiluoto überhaupt möglich ist, bevor neue Obligationen eingegangen werden. Bei der Wahl des Reaktortyps fordert die WUA ein starkes Gewicht auf die Betriebssicherheit zu setzen, auch sollten Fragen der vorhandenen Expertise und Erfahrung des Personals am Standort mitberücksichtigt werden, was bestimmte Anlagen bei der Ausschreibung prädestiniert.
Technische Spezifikationen und Sicherheitssysteme
Technische Spezifikationen
Eine Besonderheit in Loviisa, die durch den speziellen Aufbau resultiert, ist die Separierung der sonst als Zwillingsblöcke ausgeführten Anlagen in getrennten Reaktorgebäuden. Dies war eine Voraussetzung um die Reaktoren mit einer zusätzlichen Sicherheitshülle aus Stahlbeton (Containment) umgeben zu können. Gewöhnlich wurde der Basis-Reaktortyp V213 nur mit einem Confinementbereich errichtet, der die innersten Teile um Reaktor und Primärsystem umschließt und an ein Druckabbaussystem aus turmartig gestapelten Wasservorhaltungen anschließt.
Bei den beiden in Betrieb befindlichen Blöcken handelt es sich um leichtwassermoderierte und leichtwassergekühlte Druckwasserreaktoren, sie gehören damit vom Grundtypus her der weltweit häufigsten Klasse von Kernkraftwerken an. Die Blöcke erzeugen jährlich zusammen durchschnittlich 7,6 TWh Strom, was knapp 9 % der Stromproduktion von Finnland entspricht. Im Jahr 2007 wurde eine der höchsten Auslastungen beider Blöcke mit nahezu 95 % Volllast erreicht. Der Gesamtwirkungsgrad zur Stromherstellung liegt bei etwa 33 %. Jeder der Reaktoren besitzt 6 Primärkühlmittelschleifen. Jede Schleife ist mit einem Dampferzeuger als Wärmetauscher und einer Kühlmittelpumpe ausgestattet. Pro Stunde werden insgesamt knapp 43.000 Tonnen Kühlwasser durch den aktiven Kern gepumpt. Durch die für ein Kernkraftwerk verhältnismäßig geringe Blockleistung beträgt das Inventar an Uran in den Reaktoren je 34,7 Tonnen mit einer durchschnittlichen Anreicherung an leichtspaltbarem U-235 von 3,6 %. Der Betriebsdruck im Primärsystem liegt bei 123 bar. In den Dampferzeugern erfolgt die Übergabe der Wärme an das Speisewasser, welches in Dampf umgewandelt wird. Jeder Block besitzt 2 Turbogeneratoren (Turbine mit Generator). Jede Turbine vermag pro Sekunde 400 Kilogramm Heißdampf zu verarbeiten und leistet 258 MW bei 3000 UpM. Die Containmentgebäude sind 64 Meter hoch und haben einen Durchmesser von 44 Meter.
Sicherheitssysteme
Die Blöcke Loviisa 1 und 2 verfügen über alle wesentlichen Sicherheitssysteme, die für Druckwasserreaktoren dieser Klasse üblich sind. Dazu gehört ein Containment aus vorgespanntem Stahlbeton mit 64 Meter Höhe und 44 Meter Durchmesser mit einer innen liegenden Stahlauskleidung, die das Reaktorsystem umgibt. Für schwere Kühlmittelverlustunfälle (LOCA) werden im Containment 900 Tonnen Wassereis bei -9 Grad C vorgehalten. Dieses Eis soll im Notfall den freigesetzten Dampf kondensieren, damit der zulässige Druck im Containment nicht zu weit ansteigt und Freisetzungen von Radioaktivität in die Umwelt wirkungsvoll verhindert werden können.
KKW Loviisa verfügt über eine Werksfeuerwehr, Katastrophenschutz- und Evakuierungspläne, Regelungen für rasche Entscheidungswege zwischen Anlage und externen Stellen für Unfallmanagement sowie die gängigen Sicherheitseinrichtungen und Systeme:
- Batterien für den kontinuierlichen Betrieb der Mess- und Kontrollsysteme bei Stromausfall innerhalb der Anlage und gleichzeitigem Versagen der Außenversorgung
- Notstromdieselgeneratoren für den Betrieb von Steuer- und Regelsystemen bei totalem Stromausfall
- Notkühlsystem
- Redundante (mehrfache) Auslegung wichtiger Komponenten wie Kühlmittelpumpen etc.
- Notstandssystem für den Störfallbetrieb
Der neue Reaktor am Standort Loviisa soll einen weiterentwickelten Sicherheitsstand aufweisen. Dies bedeutet gegenüber den betriebenen Anlagen eine Herabsetzung der Wahrscheinlichkeit schwerer Unfälle und Freisetzung größerer Mengen an Radioaktivität um einen Faktor 10 bis 100. Wie die tatsächliche Ausführung der Sicherheitssysteme aussieht und ob diese geeignet sind die angestrebten Sicherheitsziele zu erreichen, kann erst mit der Entscheidung für einen konkreten Anlagentypus beurteilt werden. Es ist jedoch klar, dass die Vorgaben nur mit einem Doppelhüllen-Containment, einem Auffangbereich für geschmolzene Kernmasse nach einem möglichen schweren Unfall und strikt getrennter Anlagenteile in Bezug auf nukleare und konventionelle Systeme zu erreichen sind.