Da die WUA als Expertin für die toxikologische Bewertung von Desinfektionsmitteln in der Corona-Krise viele Anfragen bekommt, möchten wir hier ein paar Empfehlungen im Umgang mit Desinfektionsmitteln geben.
Empfehlungen für private Anwender/innen
DESINFEKTIONSMITTEL sind für Profis!
Händedesinfektionsmittel für schwangere Arbeitnehmerinnen
Professionelle Flächendesinfektion (mit Konzentraten)
Zwei Jahrzehnte Erfahrung im Bereich Desinfektionsmittel-Bewertung und -Beratung
Die Coronakrise schafft neue Spielregeln
Klimaschutzministerium (BMK) erlässt Notfall-Verordnung
Empfehlungen für private Anwender/innen
Zur vorsorglichen Händehygiene
Hände mit Seife ohne antibakteriellen Zusätze 30 Sekunden lang waschen und Desinfektionsmittel nur dort verwenden, wo Händewaschen mit Seife nicht möglich ist!
Hygieneexpert/innen, wie Frau Assoc.Prof.in Dr.in Miranda Suchomel (MedUni Wien), versichern seit Wochen über alle Kanäle, dass gründliches Händewaschen mit Seife Coronaviren als (mit einer Eiweißhülle) umhüllten Viren ebenfalls gut zu Leibe rückt.
Antibakterielle Seifen mit entsprechenden Zusätzen werden auch im Spital von Hygieniker/innen wegen teilweise unzureichender Wirksamkeit kaum empfohlen. Zugleich belasten sie zumeist stärker die Haut als gewöhnliche Seife. Die meisten antibakteriellen Zusätze schaden auch der Umwelt stark. Lediglich Zusätze von Milchsäure bilden hier eine gewisse Ausnahme.
Flächenreinigung im Haushalt
Auch in der aktuellen Situation ist die Verwendung von Desinfektionsreinigern im Haushalt als Präventionsmaßnahme, obwohl Sie gesund sind, nur bedingt sinnvoll.
Wenn man unter Covid-19 Infektionsverdacht steht und weitere Personen im Haushalt leben, gilt:
Flächen wie Türklinken erst zu kontaminieren und dann die Flächen zu desinfizieren ist nicht sinnvoll. In diesem Fall sollte man die Hände desinfizieren, bevor man außerhalb seines Krankenzimmers etwas, wie z.B. Türklinken, anfasst. Das ist die beste Methode und es hilft auch der Umwelt und den sonstigen Bewohner/innen, die dann nicht ständig mit scharfer Chemie überall hinterher arbeiten müssen. Also bitte auch jetzt, scharfe chemische Mittel mit Bedacht einsetzen!
Genauere Tipps von Univ.Prof.in Miranda Suchomel zu häuslichen Hygienemaßnahmen, wenn Sie selbst unter dem Verdacht stehen, mit Covid-19 infiziert zu sein.
Desinfektion von Schuhen und Desinfektion im Außenraum
Momentan sieht man überall in den Nachrichten Personen (abgebildet), die im Außenraum Desinfektionsmittel versprühen. Solche Maßnahmen erscheinen aus unserer Sicht nur in Ausnahmefällen sinnvoll und sollten nicht von Privatpersonen und ohne Auftrag von Hygieneexperten durchgeführt werden. Auch Schuhe müssen nicht desinfiziert werden. Nach dem Ausziehen sollten aber, wie immer, wenn man von draußen kommt, die Hände gewaschen werden.
DESINFEKTIONSMITTEL sind für Profis!
Natürlich hat in der aktuellen Situation jeder Sorge, dass er sich mit dem Coronavirus infizieren und die Infektion unbemerkt an andere weitergeben könnte. Da ist der Wunsch, immer ein Desinfektionsmittel bei sich zu haben, gut verständlich. Aber in der Covid19-Krise das RICHTIGE Händedesinfektionsmittel RICHTIG anzuwenden, ist gar nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Denn die Desinfektionsgele in den Drogeriemärkten mit circa 40 % Alkoholgehalt wirken zum Beispiel nicht ausreichend gegenüber Viren. Ihre Anwendung täuscht also eine falsche Sicherheit vor. Und jene Produkte, welche tatsächlich eine begrenzt viruzide Wirkung aufweisen und zumeist in der Apotheke erhältlich sind (oder vielmehr waren), benötigen die richtige Dosis von einigen Millilitern und eine Einwirkzeit von zumindest 30 Sekunden. Auch darüber sind viele nicht informiert.
Und so wurden große Mengen an Desinfektionsmitteln von der Bevölkerung aufgekauft, welche teilweise falsch oder ohne Not angewendet oder einfach nur gehortet wurden, wobei es in Folge zu einem Engpass von Desinfektionsmitteln im professionellen Bereich gekommen ist, wo ihr Einsatz essentiell und wirksam ist. Auch Alkohole von zugelassenen Lieferant/innen sind knapp geworden.
Desinfektionsmittel für Profianwender/innen
Empfehlungen der WUA für die professionelle Desinfektionsmittel-Auswahl aufgrund unserer Arbeit mit der Wiener Desinfektionsmitteldatenbank WIDES: Auf die (zumindest) begrenzt viruzide Wirkung achten!
Wann immer man die Wahl zwischen mehreren Desinfektionsprodukten hat:
- Nur begrenzt viruzid und viruzid ausgewiesene Produkte sind gegen Sars-CoV-2, welches Covid-19 verursacht, ausreichend wirksam.
- Prinzipiell sollte der Alkoholgehalt so um die 70 % und höher liegen. Unter diesen Links bekommt man unter anderem auch einen Hinweis, welche Alkoholgehalte in Desinfektionsmitteln als zumindest „begrenzt viruzid“ angesehen werden können. www.wko.at/service/umwelt-energie/vermarktung-desinfektionsmittel.pdf, https://vah-online.de/files/download/vah-mitteilungen/VAH_Mitteilung_Haendedesinfektion_Rezepturen_BAUA_12Mrz.pdf
- Die dort angeführten Wirksamkeiten wurden in die WIDES Datenbank übertragen, sodass man auch dort nach solchen Produkten online gezielt suchen kann. www.wien.gv.at/wuawides/internet/Produktsuche
Unter „Produktbewertungen pro Anwendungsbereich“ muss man den weiteren Fragen, wie zum Wirkungsspektrum und Einwirkzeit folgen. - Produkte mit unabhängig bestätigten viruziden Wirkungen findet man auch direkt in der deutschen Desinfektionsmittelliste von VAH (Verbund für Angewandte Hygiene) oder des RKI (Robert Koch Institut).
Händedesinfektionsmittel für schwangere Arbeitnehmerinnen
Das Sozialministerium regelt in einem Erlass zum §4 des Mutterschutzgesetzes die Verwendung von Händedesinfektionsmitteln durch schwangere Arbeitnehmerinnen. Darin wird auch die Desinfektionsmitteldatenbank WIDES als Unterstützung angeführt, um Händedesinfektionsmittel zu identifizieren, welche den Erlass erfüllen und somit von schwangeren Arbeitnehmerinnen verwendet werden dürfen. Das Auffinden der erlasskonformen Produkte war bisher nur mit mehreren Klicks durch die WIDES Datenbank möglich. Ab nun gibt es für Sie jedoch einen direkten Link auf die Liste jener Händedesinfektionsmittel in der WIDES Datenbank, welche die Kriterien des Erlasses erfüllen und somit auch von schwangeren Arbeitnehmerinnen angewendet werden dürfen.Sie müssen nur den allgemeinen Haftungsausschluss, der prinzipiell jedem Einstieg in die WIDES vorangestellt ist, anklicken und sollten dann direkt auf die entsprechende Produktliste kommen.
Unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! können Sie anhand von Sicherheits- und Produktdatenblättern auch bei uns konkret anfragen, ob ein Produkt für schwangere Arbeitnehmerinnen zulässig ist.
Die zwei von der WHO vorgeschlagenen und oben erwähnten Rezepturen für die hygienische Händedesinfektion (inklusive der beiden vom VAH modifizierten Rezepturen) erfüllen übrigens – sofern sie farb- und duftstofffrei sind - auch die Kriterien des Erlasses für schwangere Arbeitnehmerinnen. Rezepturen
Professionelle Flächendesinfektion (mit Konzentraten)
Aus Sicht von Wirkungsspektrum, Arbeitnehmer/innen- und Umweltschutz sind Flächendesinfektionsmittel auf Basis von organischen oder anorganischen Sauerstoffabspaltern besonders empfehlenswert, sofern die Materialverträglichkeit und die geringe organische Vorbelastung der Flächen das zulässt. In der WIDES Datenbank kann auch in der Flächendesinfektion nach Produkten mit „begrenzt viruzider“ und „viruzider“ Wirkung gesucht werden. Zusätzlich empfehlen wir jedoch, bei einem konkret ausgewählten Produkt, die „begrenzt viruzide“ oder „viruzide“ Wirksamkeit und die richtigen Einwirkzeiten in VAH- oder RKI-Listen noch einmal zu überprüfen. https://vah-online.de/de/,
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Desinfektionsmittel/Desinfektionsmittellist/Desinfektionsmittelliste_node.html
Wir hoffen, dass Ihnen diese Informationen Ihre derzeitige Arbeit unter besonderen Rahmenbedingungen erleichtern!
Zwei Jahrzehnte Erfahrung im Bereich Desinfektionsmittel-Bewertung und -Beratung
Die WUA hat seit zwei Jahrzehnten einen Dauer-Arbeitsschwerpunkt im Bereich Desinfektionsmittel-Bewertung. Im Rahmen des Programms „ÖkoKauf Wien“ leitet die WUA die Arbeitsgruppe Desinfektion und hat gemeinsam mit einem hochkarätigen Expert/innenteam die Wiener Desinfektionsmittel-Datenbank WIDES entwickelt. Anhand dieser Datenbank beraten wir Spitäler, Pflege- und Pensionistenwohnheime, Schulen, Kindergärten, öffentliche Bäder und Unternehmen bei der optimalen Auswahl von Desinfektionsmitteln, um ihre sichere Anwendung, die ausreichende Wirksamkeit, Arbeitnehmer/innen- und Umweltschutz zu fördern.
Erst kürzlich haben wir für die WIDES-Datenbank eine internationale Auszeichnung der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) bekommen.
Die Datenbank wurde für professionelle Anwender/innen von Desinfektionsmaßnahmen entwickelt und gibt auch Auskunft darüber, welche Händedesinfektionsmittel laut einem Erlass des Sozialministeriums auch von schwangeren Arbeitnehmerinnen möglichst gefahrlos angewendet werden können.
Die Coronakrise schafft neue Spielregeln
Aufgrund der Krankheit Covid-19 bzw. des Virus SARS-CoV-2 sind Desinfektionsmittel so heiß begehrt wie nie. Auch die Zugriffe auf unsere WIDES Datenbank haben sich tageweise vervierfacht und in der Summe mehr als verdoppelt. Persönliche Anfragen an die WUA zu Reinigungs- und Desinfektionsmitteln nahmen ebenfalls zu.
Klimaschutzministerium (BMK) erlässt Notfall-Verordnung
In dieser Situation musste das Klimaschutzministerium (BMK) handeln, um die gerade jetzt so wichtigen Hygienestandards im Gesundheits- und Lebensmittelbereich zu sichern. Es wurde eine Ausnahmegenehmigung von der EU-Biozid-Verordnung erarbeitet. Siehe auch: www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200325_OTS0189/weitere-klarstellungen-zur-vermarktung-von-desinfektionsmitteln
Diese erlaubt österreichischen Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit sich zulässigerweise auf die Herstellung von Desinfektionsmitteln erstreckt (z. B. auch Apotheken), alkoholische Desinfektionsmittel auf den Markt zu bringen, wenn diese in punkto Zusammensetzung, Reinheit und Einstufung der gefährlichen Eigenschaften definierten Kriterien entsprechen. Um die schnelle Verfügbarkeit der Wirkstoffe zu gewährleisten, wurden auch bestimmte Beschränkungen für Lieferanten der Wirkstoffe aufgehoben. Somit dürfen z. B. nun auch Brennereien Alkohol für die Herstellung der Desinfektionsmittel liefern.
Ausnahmebestimmungen sind zurzeit unerlässlich, um bei dem laufenden Anstieg an Covid-19 Patient/innen und den vielen Erfordernissen in einer solchen Pandemie die nötigen Hygienemaßnahmen sicherzustellen und es ist dem BMK für seine gute Arbeit zu danken.
Langfristig muss aber klargestellt bleiben:
- Die Produktion von Desinfektionsmitteln ist Sache von Profis.
- Die Entwicklung eines neues Desinfektionsmittels ist prinzipiell ein aufwändiger Prozess.
- Die Reinheit der Inhaltsstoffe und die Rezepturen müssen in der Regel einer Vielzahl von Anforderungen entsprechen. Dazu gehört z. B. eine optimale (Zu)Mischung von Pflegesubstanzen für solche Produkte, die verwendungsgemäß mit der Haut in Berührung kommen. Die gesundheitliche Belastung durch giftige Inhaltsstoffe für die Anwender/innen sollte möglichst gering sein.
- Wenn das Produkt nach dem Gebrauch in der Kläranlage und in Oberflächengewässern landet, spielt auch die Giftigkeit gegenüber Mikroorganismen und Wasserlebewesen eine Rolle, gerade auch in Zeiten einer Pandemie, wo deutlich mehr desinfiziert wird als üblicher Weise.
Wann immer man also eine Auswahlmöglichkeit zwischen Produkten hat, sollte man das Sicherheitsdatenblatt kontrollieren oder auch in der WIDES-Datenbank nachlesen.
© Fotos: M. Jaros