Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Kritikpunkte
Besonders die beiden älteren Blöcke (V1) haben ein Defizit an fundamentalen Sicherheitssystemen. So besteht weder ein Containment, noch ein ausreichend dimensioniertes Notkühlsystem. Zahlreiche Komponenten des primären Kühlkreislaufs sind bei Leckagen gegenüber der Umwelt nicht ausreichend abgeschirmt (Bypassunfälle). Aufgrund der Geometrie der aktiven Zone und dem relativ schlanken Reaktordruckbehälter ist der Stahl dieser Komponenten und der kernnahen Schweißnähte versprödet. Die mechanische Stabilität des Druckbehälters kann bei geringfügigen Unregelmäßigkeiten, zum Beispiel beim An- und Abfahren oder im Notkühlfall nicht mehr sicher gestellt werden. In diesem Fall könnte der Reaktordruckbehälter zerbersten und das gesamte Reaktorinventar freilegen. Dies entspricht einem Katastrophenszenario mit ungeheuren radioaktiven Auswürfen, falls die Strukturen des Sicherheitskompartments nachgeben, die für ein Druckbehälterversagen nicht ausgelegt sind.
Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Aufgrund des hohen Gefährdungspotentials wird die für 2006 und 2008 vereinbarte Stillegung und Dekommissionierung der beiden älteren Blöcke vom KKW Bohunice als unbedingt notwendig angesehen. Zur Kompensation der Leistung der Blöcke 1 und 2 ist am slowakischen Energiemarkt die Schaffung von Ersatzlösungen nötig. Eine längerfristige Anhebung der Energiepreise - zum Beispiel von Strom - in der Slowakei ist unbedingt notwendig. Sie darf aber keinesfalls ohne soziale Abfederung erfolgen. Es handelt sich um einen komplizierten politischen Prozess, der zahlreicher flankierender Maßnahmen bedarf. Der Grund, warum Bohunice V1 nach wie vor betrieben wird, ist die tiefe Verwurzelung vom Selbstverständnis der Anlage in breiten Schichten der Bevölkerung. Neben der Errichtung von konventionellen Kraftwerken könnte durch finanzielle Anreize der EU der Einsatz von erneuerbaren Energiesystemen gefördert werden. Die Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Energie-Effizienz, Kraft-Wärme-Kopplungen und Erneuerbarer Energien anstelle der laufenden Erhöhung der EURATOM-Kreditlinie wurde von der Wiener Umweltanwaltschaft jüngst auch in einem Schreiben an Bundesminister Grasser vorgeschlagen. Im Rahmen eines Know-How-Transfers böte die Umgestaltung des slowakischen Energiemarkts Möglichkeiten, innovative, westeuropäische Firmen zu involvieren. Ebenso sollte aber auch die Gründung und Erweiterung heimischer Unternehmen mit der Schaffung neuer Erzeugungskapazitäten und nötiger Infrastruktur gefördert werden.
- Schreiben an Bundesminister Grasser (52-KB-PDF)