Der Kirschblütenpark ist eingebettet zwischen mehrstöckigen Wohnhausanlagen und damit ein stark genutzter Park. Seit Frühjahr 2022 gibt es auf Wunsch von Anrainer*innen und durch die Unterstützung der Wiener Umweltanwaltschaft auch zwei Naturwiesen-Flächen!
Wie kam es zu den Naturwiesen im Kirschblütenpark?
Auslöser war der Wunsch engagierter Anrainer*innen, zumindest Teilflächen nicht mehr so häufig zu mähen, damit diese Rückzugsräume, Nektar- und Pollenquellen für Insekten, Schmetterlinge, Bienen etc. bieten können. Die Wiener Umweltanwaltschaft prüfte bei Ortsaugenscheinen, ob die Umsetzung in diesem stark genutzten Park möglich ist.
Dabei wurden Flächen in Randlagen mit geringen Nutzungsspuren ausgewählt. Es wurden nur jene Flächen vorgeschlagen, auf denen höherwüchsige Vegetation entweder niemanden stören würde oder sogar erwünscht ist, da bereits von Anrainer*innen parkseitige Sichtschutzmaßnahmen (z. B. Sichtschutzfolie oder Kletterpflanzen am Zaun etc.) gesetzt wurden. Gemeinsam mit den Wiener Stadtgärten (MA 42) wurden zwei Pilot-Flächen ausgewählt, die sich künftig zu Naturwiesen entwickeln dürfen und nur mehr einmal jährlich (im Herbst) gemäht werden: Eine ca. 1210 m² Fläche am nördlichen Zugang zum Kirschblütenpark, sowie eine ca. 448 m² große Fläche mit Gefälle und damit unterschiedlichen Bodennährstoffverhältnissen am Hang und Hangfuß.
Die Wiener Stadtgärten stellten zudem zwei Infotafeln an beiden Flächen auf, um die Parkbesucher*innen auf die für die urbane Biodiversität so wertvolle Naturwiese hinzuweisen. An dieser Stelle möchten wir uns bei den Wiener Stadtgärten für die gute Zusammenarbeit herzlichst bedanken!
Und die Wiese wächst...
Die Wiener Umweltanwaltschaft behält seither die Entwicklung der Fläche im Auge (Neophytenmanagement, Befreiung der Flächen von Abfällen, ggfs. Nachsäen mit standortgerechten Saatgut).
Im ersten Jahr wurde gar nicht gemäht, sodass Insekten und andere Kleinstlebewesen ungestört überwintern konnten. Künftig soll aber einmal jährlich im Herbst gemäht werden, um Verbuschung zu verhindern und langfristig für eine höhere Artenvielfalt zu sorgen. Dabei soll das Mähgut entfernt werden, denn je magerer der Boden wird, desto höher wird die Pflanzenvielfalt.
Was wächst, kriecht, flattert und krabbelt bereits?
Welche Arten sich mit der Zeit ausbreiten und letztlich durchsetzen, ist sehr spannend und wird regelmäßig mit der App „iNaturalist” dokumentiert. Eine Vielzahl bemerkenswerter Arten können sich nun ungestört ausbreiten.
Um nur ein paar Beispiele zu nennen, was derzeit auf der Wiese zu finden ist:
gewöhnlicher Natternkopf, Schwarznessel, Wegdistel, Luzerne, Knollen-Platterbse, gemeine Wegwarte, gelber Wau, Acker-Wachtelweizen, echter Dost, gelber Steinklee, gemeines Leinkraut, verschiedene Taubnessel-, und Malven-Arten sowie viele weitere Arten, liefern Nektar und Pollen für verschiedene Insekten. Die weiße Lichtnelke auf der Wiese sorgt vor allem für volle Nachtfalter-Mägen, denn ihre Blüten beginnen sich erst nachts zu öffnen und zu duften. Mit ihren langen Rüsseln gelangen Nachtfalter an den süßen Nektar.
Fleißige Bestäuber, z. B. weiße Bindensandbienen, Erd- und Ackerhummeln und zahlreiche weitere Wildbienen, Hornissenschwebfliegen, gemeine Sumpfschwebfliegen, großes Ochsenauge, östlicher Resedafalter, Zitronenfalter, Hauhechel-Bläuling, Rapsweißling, kleiner Kohlweißling und diverse Rosenkäfer helfen Pflanzen bei der Verbreitung und erfreuen (Balkon-)Gärtner*innen mit einer reichen Obst- und Gemüseernte.
Heilkräuter wie die gemeine Schafgarbe, Johanniskraut, Wegerich-Arten, und gewöhnliches Hirtentäschel schmücken die Wiesenflächen ebenfalls und nähren Insekten entweder mit Pollen, Nektar oder ihren schmackhaften Blättern. Die borstige Dolchwespe, der Siebenpunktmarienkäfer mit seinem unstillbaren Hunger nach Blattläusen oder Springspinnen, wie der Kochs Sonnenspringer, tummeln sich ebenfalls auf den beiden Naturwiesen und fressen Schädlinge.
Die weiße Heideschnecke kriecht bei großer Hitze und Trockenheit auf lange Grashalme oder hochwüchsige Kräuter hinauf. Auch die gefleckte Weinbergschnecke lässt sich blicken, sie bevorzugt abgestorbenes Pflanzenmaterial.
Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher, das Zirpen von Grillen oder das Summen von Insekten wirken stressreduzierend auf uns Menschen und fördern unsere Gesundheit. Musikalische grüne Heupferde und braune Grashüpfer sorgen im Kirschblütenpark für eine entspannende Geräuschkulisse.
Verschiedene Wanzen, wie die Luzernen-Zierwanze oder Käfer wie der gemeine Schenkelkäfer finden auf den beiden Naturwiesenflächen ebenfalls ausreichend Nahrung. Über das reiche Insektenvorkommen freuen sich Insektenfresser wie Igel, Fledermäuse und weitere Kleinsäuger, Vögel und Co. Dem Haussperling gefallen die vielen Pflanzen, die bis zur Samenreife stehen bleiben, sowie das reich gedeckte „Insekten-Buffet“ für seinen Nachwuchs.
Im Herbst 2022 kamen selbst Pilze zum Vorschein, wie Röhrlinge (z. B. ringloser Butterpilz).
Warum sind verwilderte Flächen wie Naturwiesen so wichtig?
Wien ist eine wachsende Stadt, die Flächenverbauung für Wohnzwecke steigt und so gehen zwangsläufig Lebensräume für Tiere, Pflanzen und Pilze verloren. Als Ausgleich sollten verbaute Flächen durch Begrünungsmaßnahmen aufgewertet und von Bauwerken umgebene Grünflächen wie Parks und Innenhöfe so gestaltet werden, dass Wildtiere dort noch ausreichend Rückzugsräume und Nahrung finden können.
Dies ist oft nicht so einfach, besonders bei Grünflächen um große Wohnhausanlagen: Viele verschiedene Ansichten und Vorlieben betreffend Grünflächengestaltung treffen hier aufeinander. Kinder benötigen ausreichend Platz zum Laufen und Spielen, die einen empfinden gemähte Rasenflächen als schön, während die anderen den ökologischen Wert von Naturwiesen, auf denen die Natur sich ungestört entwickeln kann, erkennen und diese fördern wollen.
Aber lassen sich all diese Ansprüche vereinen? Selten gemähte Naturwiesen können eine enorme Artenvielfalt beherbergen neben stark gepflegten Grünflächen als außergewöhnlich schönes Gestaltungselement ins Auge springen. Naturwiesen können auch für Kinder eine spannende Abwechslung bieten und zum Erforschen einladen.
Selten gemähte Wiesen trocknen in heißen Sommern nicht so schnell aus wie kurzgeschnittener Rasen, welcher sich folglich braun färbt und einen “verbrannten” Eindruck erweckt. Naturwiesen hingegen können bei großer Hitze sogar zur Umgebungskühlung beitragen und stellen eine Maßnahme zur Klimawandelanpassung dar.
© Fotos: Ramona Cech